Rookie CJ Stroud beeindruckt die Liga seit Wochen und könnte zu einem Aushängeschild der AFC South werden. Foto (c) IMAGO / USA TODAY Network

„Nach Woche 14 liegen 3 Teams aus der AFC South im Playoff-Rennen!“ Hätte ein NFL-Experte vor der Saison diese These aufgestellt, wäre er vermutlich ausgelacht worden. Zu unwahrscheinlich schien es, dass sich in dieser scheinbar so schwachen Division gleich drei Teams zu den besten der AFC entwickeln könnten.

Noch letzte Saison kamen schließlich zwei der schwächsten vier Teams der NFL aus genau dieser Division. Einzig die Jacksonville Jaguars machten sich realistische Hoffnungen darauf, als Division-Sieger in die Playoffs einzuziehen. Bei allen drei anderen Teams schienen die Fragezeichen vor der Saison hingegen zu groß, weshalb die meisten Beobachter der NFL mit einer weiteren tristen Saison in der AFC South rechneten.

Seit ihrer Gründung im Jahr 2002 ist die AFC South grundsätzlich nicht für bemerkenswert gute Teams oder großen sportlichen Erfolg bekannt. Als einziges Team der Division konnten die Indianapolis Colts in den Super Bowl einziehen (2x). Mit nur 2 gewonnenen AFC Championship Games liegt die AFC South somit deutlich hinter den Konkurrenten aus dem Westen (6x), Norden (5x) und Osten (8x) der AFC. Besonders auffällig: Seit der Saison 2009 kam kein einziges Team aus der Division mehr in den Super Bowl. Auch in puncto Wildcards sieht es seit 2010 eher düster aus. Mit nur 5 ergatterten Wildcard-Plätzen liegt die AFC South hinter den drei Konkurrenten. Es fehlte insbesondere auf der Quarterback-Position an Star-Power, da seit dem Abgang von Colts-Qb Payton Manning, keins der vier Teams einen langjährigen Elite-Franchise-Quarterback finden konnte.

Dies dürfte sich in den nächsten Jahren jedoch ändern. Die Teams aus der AFC South scheinen in neuem Glanz zu erstrahlen. Besonders die jungen Quarterbacks Trevor Lawrence und CJ Stroud machen in den letzten Wochen auf sich aufmerksam. Trevor Lawrence, welcher das Urban Meyer Desaster aus seiner ersten NFL-Saison abschütteln konnte und sich letztes Jahr in den Kreis der Top-12 Quarterbacks spielte, bestätigt seine Leistungen auch diese Saison konstant. Die vielleicht größte Sensation der Saison stellt jedoch CJ Stroud dar. Der Rookie-Qb der Huston Texans spielt schon in seiner ersten Saison auf einem hohen Level und befindet sich inzwischen sogar in der MVP-Konversation. Selbst wenn es für die höchste Auszeichnung, auch aufgrund eines schwachen Auftritts gegen die Jets, am Ende noch nicht ganz reichen sollte, gehört seine Rookie-Saison sicherlich zu den besten aller Zeiten.

Weniger erfolgreich verläuft die Saison bisher für die Titans. Der Division-Sieger von 2020 und 2021 befindet sich im Umbruch und hat sowohl in der O-Line als auch in der Secondary mit größeren Problemen zu kämpfen. Mut für die Zukunft macht auch hier der Quarterback. Der sich ebenfalls in seiner Rookie-Saison befindende Will Levis zeigt bisher wechselhafte Leistungen, stellt jedoch auch sein Potential und seine Armstärke regelmäßig zur Schau. Die Titans dürften darauf hoffen, dass sich Levis in den nächsten Jahren zu einem guten NFL-Quarterback entwickelt, da die athletischen Tools definitiv vorhanden scheinen.

Das Feld der Rookie-Qbs in der Division wird komplettiert durch Anthony Richardson von den Colts. Dieser bestach in seinen ersten 4 Spielen regelmäßig durch beeindruckende athletische Fähigkeiten und konnte sich mit anspruchsvollen Pässen ins Rampenlicht spielen. Eine Schulterverletzung beendete seine Saison jedoch vorzeitig, sodass mit Gardner Minshew der Backup übernehmen musste.

Dennoch befinden sich die Colts mit einem 7-6 Record im Playoff-Rennen. Dies hängt auch mit der beeindruckenden Coaching-Leistung von Head Coach Shane Steichen zusammen. Dem früheren OC der Eagles gelingt es trotz der Verletzung von Richardson, Woche für Woche ein konkurrenzfähiges Team auf den Platz zu bringen. Dabei schienen seine Startbedingungen in der vergangenen Offseason denkbar schlecht, da Owner Jim Irsay für großen Wirbel sorgte und einen öffentlichen Streit mit Star-Runningback Jonathan Taylor vom Zaun brach. Steinchen ließ sich bisher jedoch selbst von solch größeren Unruhen nicht aus der Fassung bringen und dürfte die Erwartungen der Colts-Fans an die Saison übertreffen.

Doch nicht nur die Colts landeten in der vergangenen Offseason einen echten Volltreffer auf der Position des Trainers. Auch in Huston scheint nach zwei One-and-Done Head Coaches endlich der passende Kandidat gefunden. DeMeco Ryans wirkt wie der richtige Mann am richtigen Ort. Die von ihm gecoachte Defense ist nach EPA per Play diese Saison zwar nur im Mittelfeld zu finden, der eingeschlagene Weg dürfte jedoch der korrekte sein. Besonders auffällig ist die Entwicklung der defensiven Spieler. Edge-Rusher Will Anderson und Corner Derek Stingley spielen sich in der Defense in den Vordergrund und dürften zu tragenden Säulen im Kader der Huston Texans werden.

Bei all dem berechtigten Hype um diese beiden jungen Trainer sollte dennoch nicht vergessen werden, dass auch in Jacksonville und Tennessee fähige Head Coaches ihr Handwerk verrichten. So konnte Jacksonville Head Coach Doug Peterson bereits mit den Philadelphia Eagles einen Super-Bowl gewinnen und führte die Jaguars bereits in seinem ersten Jahr in die Playoffs. Auch bei den Titans steht, mit dem leicht in die Kritik geratenen, Mike Vrabel ein kompetenter Coach unter Vertrag. Vrabel, welcher noch 2021 zum Head Coach des Jahres gewählt wurde, dürfte ebenfalls bereits bewiesen haben, dass er in der Lage ist, aus seinen Teams das Maximum herauszukitzeln.

Dass es diese Saison bei einem AFC South Team schon für den ganz großen Wurf reicht, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Noch keins, der drei sich in Playoff-Reichweite befindenden Teams scheint sportlich weit genug, um den besten Teams der NFL im Kampf um den Super-Bowl wirklich gefährlich werden zu können. Sollten mit den Colts, Texans und Jaguars am Ende jedoch drei Teams aus der Division in den Playoffs stehen, wäre dies für die AFC South ein großer Erfolg. Keins der Teams steht in den letzten Wochen der regulären Saison vor einem schwierigen Schedule und sollte sich Trevor Lawrence nicht zu schwer verletzt haben, dürften 9 oder mehr Siege für alle drei Teams ein realistisches Ziel darstellen.

Auf mittelfristige Sicht könnte die AFC South sogar zu den stärksten Divisions der NFL zählen. Zu überzeugend wirkt die vorhandene Kombination aus jungen talentierten Quarterbacks und guten Coaches. Falls sich Will Levis noch entwickelt und Anthony Richardson verletzungsfrei bleibt, ständen in den nächsten Jahren regelmäßige Matchups von potenziellen Top-10 Quarterbacks bevor. In diesen Spielen dürfte für den neutralen NFL-Zuschauer einiges geboten sein und die NFC-South sollte sportlich deutlich an Relevanz gewinnen. Regelmäßige Playoff Teilnahmen und das erste Team im Super-Bowl seit 2009 könnten folgen.


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