NFL-Superstar Patrick Mahomes äußert seinen Unmut über die Schiedsrichter. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Denny Medley

Es war eine der Szenen des vergangenen NFL-Wochenendes: Patrick Mahomes rastet wegen einem Schiedsrichter-Pfiff an der Seitenlinie der Kansas City Chiefs komplett aus. Die halbe Liga ruft aber nur „tough luck“, der Rest wundert sich über die anmaßende Realitätsferne einiger Beteiligten!

Es schien wie ein Geschehen aus einem parallelen Universum, einem, das so ganz wenig mit der wirklichen Welt zu tun hat, die man in der NFL gemeinhin kennt. Das Gesicht der Liga war verzogen zu einer wütenden Fratze, ein aufgebrachter sportlicher Held, der sonst höchstens missmutig um unparteiische Gnade ersucht, verlor die eigene fein-säuberliche aufgebaute Contenance und vielleicht noch ein bisschen mehr. Denn auch wenn Patrick Mahomes die nächste Schiedsrichter-Diskussion eines NFL-Wochenendes mehr als wohl gebettet überleben wird, so hat sein öffentliches Image bei dem einen oder anderen sicherlich einen kleinen Kratzer bekommen.

Auslöser für die HB-Männchen-Seitentirade war eine kleine gelbe Flagge, die eines der potenziell spektakulärsten Plays der NFL-Saison in Luft aufgehen ließ. Kadarius Toney hatte sich in der Neutral Zone aufgestellt, bekam einen Offensive Offside Penalty verpasst und erntete statt Schulterklopfern für den möglichen Game Winner gegen Buffalo stattdessen Kritik. Wobei, eigentlich bekam er diese gar nicht! Zumindest nicht von seinen Vorgesetzten und Mitspielern. Patrick Mahomes und Andy Reid schnaubten vor Wut ob des in ihren Augen unmöglichen Pfiffs und stellten vom gerechten Lauf des Universums bis hin zur Zukunft der NFL alles in Frage, was nicht bei Drei im Spielertunnel verschwunden war.

Patrick Mahomes und Andy Reid schäumen vor Wut

Hier ein paar Highlights ihrer Ausführungen: „Ich habe das Bild gesehen“, meinte ein immer noch aufgebrachter Mahomes nach dem Spiel. „Er stand kaum im Offside, es hat den Spielzug überhaupt nicht beeinflusst. Überhaupt nicht!“ Dazu philosophierte der Superstar darüber, dass man doch die Spieler die Spiele entscheiden lassen soll, wie hart der Pfiff für die Chiefs wäre und dass man solche Vorfälle nicht für die NFL wolle, bei denen man immer über die Schiedsrichter sprechen würde. Es wäre nicht nur für ihn hart, sondern für Football im Allgemeinen, „so etwas Großartiges“ durch einen Pfiff geraubt zu bekommen. Sein Coach schlug in dieselbe Kerbe. „Es ist ein bisschen peinlich für die NFL, dass so etwas passiert“, kritisierte Andy Reid hinterher vielsagend.

Ein Spieler steht also, wie Mahomes selbst sagt, in der Neutral Zone und fängt hinterher auch noch den Touchdown, soll damit aber einfach durchkommen? Weil damit etwas „Großes“ für den Football verhindert wird? Jene Charakterisierung in einem Regular Season Spiel ist eh durchaus debattierbar, aber viel problematischer ist die offensichtliche Missbilligung von Regeln, deren Verletzung eindeutig durch Bilder belegt ist, durch einen, wenn nicht den prominentesten Spieler der gesamten NFL. Einen, der eigentlich der letzte sein sollte, der sich über unfaire Pfiffe beschweren dürfte, war er doch in der Vergangenheit meistens eher Profiteur als Leidtragender eben jener.

NFL-Refs machen genau den richtigen Pfiff

Ja, die Chiefs bekamen in der Woche zuvor eine offensichtliche Pass Interference gegen Green Bay nicht zu gesprochen, kurz davor schenkte man Mahomes aber auch 15 Yards mit einem fragwürdigen Late Hit. Wo waren die Rufe nach der Integrität der Liga, als Mahomes zu Saisonbeginn in einem Primetime-Spiel bei den New York Jets durch gleich mehrere gruselige Entscheidungen begünstigt wurde? Sollten da auch „die Spieler entscheiden“? War es da peinlich für die NFL, Mister Reid? Was wäre denn, wenn ein Pass Rusher kurz vor Spielende offensichtlich Offside steht und dann Patrick Mahomes sackt? Let them play?

Natürlich ist der Unmut der Kansas City Chiefs durchaus verständlich, der Frust absolut menschlich und gerade in ihrer derzeit nicht ganz leichten sportlichen Situation umso verlockender als Ausrede. Aber Klasse zeigt eine dermaßen entsicherte Schiedsrichter-Schelte keineswegs, vor allem weil sie nach einem korrekten Pfiff ausgeschüttet wurde. Nach einer korrekten Flagge! Die Referees der NFL haben tatsächlich ohnehin schon genug Probleme und eine Reform wäre in diesem Bereich sicherlich angebracht, aber die Nummer vom vergangenen Sonntag verdreht komplett die Tatsachen und schickt obendrein eine verheerende Botschaft an die Öffentlichkeit.

Patrick Mahomes rudert als Gesicht der NFL zurück

Seine Wirkung auf genau diese ist für den sonstigen Medienprofi Patrick Mahomes stets entscheidend, warum er wohl auch einen Tag nach dem ganzen Vorfall zurückruderte und sich versuchte, zu entschuldigen. Die öffentliche Meinung schwang nämlich nicht wie von Mahomes erwartet auf seine Seite, sondern stärkte eigentlich durchweg den Refs den Rücken. Da will man dann natürlich auch schnell die Fahne in den Wind hängen. „Man kann sich so nicht verhalten, nicht gegenüber Schiedsrichtern oder irgendjemandem im Leben“, so Mahomes in einem Statement. „Ganz besonders hätte ich mich Josh gegenüber nicht so benehmen sollen, der nichts damit zu tun hatte.“ Mahomes hatte Bills-Quarterback Josh Allen wissen lassen, was er von dem Call denkt, anstatt ihm zu gratulieren. Fehlt vielleicht noch was? Eventuell das Eingeständnis, dass die Schiedsrichter im Recht waren und er im Unrecht? Dass er nicht nur völlig überreagiert hat, sondern auch einfach falsch lag. In dieser Form bleibt die selbstgerechte Entschuldigung, vor allem mit dem Hinweis auf Allen, eine reine PR-Aktion, um die davon schwimmenden Felle des eigenen makellosen Images wieder ins Boot zu holen.

Dabei hätte Patrick Mahomes derartige Episoden überhaupt nicht nötig und es ist letztendlich schade, dass er sich so dermaßen verrennt. Sein sportliches Talent, sein Winner-Gen, seine Toughness und all die anderen Dinge, die ihn schon jetzt zu einem ganze Großen gemacht haben, sie sind unbestritten. Er ist auf dem Zenit seines Schaffens, ein Megastar, dem die Welt zu Füßen liegt, und allem Anschein nach ist er auch privat ein ganz guter Typ. Für den aber eben jetzt gerade nicht alles so läuft, wie es das sonst getan hat, was natürlich im Umkehrschluss nicht so einfach zu verkraften ist. Von einem wahren Superstar, einem echten Charakter, sollte man aber schon oder gerade erwarten, dass er sich in schwierigeren Zeiten aufrecht zeigt und nicht die Schuld bei anderen sucht. Beziehungsweise die Tatsachen so verdreht, dass man selbst als Opfer dasteht.

Vielleicht könnte man bei der Kritik mit Kadarius Toney anfangen, dessen gigantischer Fehler am Ende die Chiefs den Sieg gekostet hat. Kein Schiedsrichter, keine ungerechtes Universum, keine Verschwörung – nein, es war sein mentaler Bock und nichts anderes. Hier handelt es sich um einen Spieler, der bei den New York Giants etliche Einstellungsprobleme hatte, der nach dem Super Bowl Triumph mit den Chiefs durch Mittelfinger und hasserfülltes Online-Gestammel entgegen seiner einstigen Fans aufgefallen ist und nun auch in Kansas City sich so manchen mentalen Lapsus sportlicher Natur leistet. Eventuell hört er ja intern noch von Andy Reid und Patrick Mahomes. Aber irgendwie ist es schwer vorstellbar, dass er auch das wirklich wütende Gesicht der NFL zu sehen bekommt, welches Mahomes gegen Buffalo den Zuschauern präsentierte.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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