Hallo, neuer Vertrag! Kirk Cousins ist 2024 einer von vielen prominenten NFL Free Agents. Credit: Imago Images / ZUMA Wire / Darren Lee

Nach dem Super Bowl LVIII schielen mittlerweile längst alle NFL-Teams auf die kommende Saison, denn der Ligakalender macht ordentlich Druck. Anfang März beginnt schon die Free Agency Periode 2024 und somit das Wettbieten um vertraglose Spieler, die im kommenden Jahr den Unterschied machen sollen. Ein Ausblick, was hier zu erwarten ist!

Die NFL Free Agency trifft bei den Fans der stärksten Liga der Welt einen gewissen Nerv, der vielen sportbegeisterten Menschen auf diesem Planeten wohlbekannt sein dürfte. Wie in vielen anderen Mannschaftssportarten auch ist es beim Football einer der schönsten Zeitvertreibe, sich personelle Zukunftsszenarien für das eigene Team auszumalen und im gemütlichen Sessel daheim einmal NFL General Manager zu spielen. Und damit natürlich die Rolle auszufüllen, für die man entgegen der wahren Würdenträger bestens qualifiziert ist!

Einmal NFL General Manager spielen

Was gibt es Besseres, als den schon lange verhassten Backup Linebacker zu entlassen, der seit vielen Jahren an allen Niederlagen sowie am schlechten Wetter vergangenen Dienstag schuld ist, und ihn mit einem neuen, aufregenden Spieler eines anderen Teams zu ersetzen? Nicht viel, möchte man antworten, auch wenn in den meisten Fällen besagte Neuverpflichtung sich an letzter Arbeitsstelle ähnlicher Kritik ausgesetzt sah wie der Scheidende.

Aber das soll die Freude natürlich in keiner Weise trüben. Die NFL Free Agency kann gerade deshalb so schön sein, weil man bei ihr der Fantasie freien Lauf lassen kann und sie nur selten mit absoluten Wahrheiten um die Ecke kommt. Ganz egal, was das eigene Team macht, irgendwie kann sich fast jeder hinterher als Sieger deklarieren. Oder zumindest sich einreden, noch kein Spiel verloren zu haben, was bei etlichen NFL-Teams schon ein Fortschritt zum stetigen Leid der regulären Saison darstellt. Visionen wie die künftiger Kaderzusammenstellungen vermitteln dem Menschen etwas, woran er glauben kann, sie suggerieren auf ihre ganz eigene Art und Weise, dass die Dinge schon irgendwie besser sein werden. Auch wenn das in den meisten Fällen natürlich Wunschträume bleiben.

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Die NFL Historie ist gefüllt mit Free Agent Busts

Jedes NFL-Team braucht in seiner Historie nicht lange suchen, um vermeintliche Heilsbringer zu identifizieren, die mit Schubkarren von Zaster am ersten Tag der Free Agency überhäuft wurden, nur um wenige Jahre später der Grund für den Rausschmiss eines Coaches oder GMs zu sein. Albert Haynesworth, Kenny Golladay, Le’Veon Bell, Nnamdi Asomugha, J.C. Jackson… und so weiter und so weiter. So sehr die Free Agency jährlich auch Teil der großen Hype-Maschinerie NFL sein mag, so heimlich, still und leise werden dabei einige ernüchternde Fakten immer gerne unter den Tisch gekehrt. Zum Beispiel, dass viele Spieler nur deshalb auf dem freien Markt landen, weil ihr vorheriges Team mit ihnen gewisse Schwierigkeiten hatte. Diese müssen im ersten Moment gar nichts mit der Qualität oder dem Charakter des Spielers zu tun haben, manchmal liegt es schlicht und ergreifend daran, dass sie zu teuer geworden sind. Und manch smartes abgebendes Team korrekterweise analysiert, dass sich mit einem Wettbieten in gewissen Fällen kein ausbalancierter Kader zusammenhalten lässt.

Für andere Gründe kann man direkt einmal die aktuelle Free Agent Klasse unter die Lupe nehmen: Wäre Kirk Cousins auf dem freien Markt zu haben, wenn er ein wirklicher Unterschieds-Quarterback wäre? Oder Baker Mayfield? Wie viele Verletzungen hatte Tyron Smith noch in den letzten Jahren bei den Dallas Cowboys? Reichen einem die überragenden Contract Years von Josh Allen oder Justin Madubuike im Kontrast zu ihren vorher gezeigten Leistungen oder gibt es da eventuell Fragezeichen? Dominiert L’Jarius Sneed auch abseits des Systems von Steve Spagnuolo und ohne einen der besten Pass Rushes der Liga? Tatsache ist, dass nur wenige der ganz großen Superstars als Free Agents ihre Ligaadresse wechseln, es gibt so gut wie keine Slam Dunks in der NFL Free Agency. Auf jeden Trent Williams kommen etliche andere vermeintliche Franchise Player, die kurz darauf schon zu einem immensen Ballast für die Gehaltsliste mutieren oder zumindest bei Weitem nicht den Vorschusslorbeeren gerecht werden, mit denen sie bedacht werden.

NFL Free Agency stellt höchste Ansprüche

Nicht umsonst stellt sich in vielen Fällen die sogenannte Offseason Championship nach der Free Agency als reine Mirage heraus. Oft gucken die Teams mit dem meisten Cap Space, den sie dann auch jubelnd unter die Footballer bringen, in die Röhre, wenn die Spiele wirklich losgehen. Was den Wert der Free Agency natürlich per se in keiner Weise schmälern soll. Diese Zeit ist tatsächlich für viele Mannschaften eine entscheidende Periode und kann richtungsweisende Zeichen für den kommenden Winter setzen. Löcher im Kader können gestopft, eine Draftstrategie klug vorbereitet und zukünftige Personalprobleme frühzeitig abgefedert werden. Für einige Teams können gerade in der Free Agency die entscheidenden Stellschrauben gesetzt werden, die letztendlich zwischen Contender und Pretender unterscheiden. Eine Voraussetzung dafür ist aber nicht nur eine knallharte wie feinsinnige Evaluation der potenziellen Neuverpflichtungen, sondern auch des eigenen Kaders.

Eine besonders verflixte Kleinigkeit ist am Ende dabei natürlich das liebe Geld. Ein Spieler kann auf dem Feld noch so gut passen, wenn die vertraglichen Rahmenbedingungen eine Franchise in anderen Bereichen behindern, dann wird es mit der Sinnfrage schwierig. Begriffe wie Meisterschaftsfenster, All-In, Laufzeit, Positionswert – alles will bedacht und berücksichtigt werden und das bestenfalls langfristig. Manche Deals, die im ersten Moment gar nicht viele Schlagzeilen generieren, sind am Ende vielleicht genau diejenigen, die den Unterschied machen. Denn wer einen Starting Linebacker, Safety oder Offensive Lineman für kleines Geld findet, der hat dementsprechend mehr Kohle über für andere Positionen. Klingt einfach, ist es in der Praxis aber eigentlich nie.

Gut also, dass die Gedankenspiele im Fan-Oberstübchen eben das bleiben – Gedankenspiele ohne großen Druck. Sie sind ebenso Zukunftsmusik wie jegliche Projektionen, die verschiedene Teams zu großen Gewinnern in der NFL Free Agency deklarieren. Aber gut, es macht natürlich trotzdem immer noch einen Heidenspaß!

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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