Lamar Jackson ist einer der NFL-Spieler, die jüngst von ihren Teams einen Trade gefordert haben. Credit: Imago Images / ZUMA Wire / Kim Hairston

Aaron Rodgers, Lamar Jackson, Devin White, Budda Baker… in jüngster Vergangenheit haben eine ganze Reihe von NFL-Stars einen Trade gefordert. Aber Moment, haben sie nicht einen Vertrag unterschrieben? Und ist das eigentlich okay, was sie da machen?

Der deutsche Duden beschreibt das Wort Vertrag wie folgt: "Rechtsgültige Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Parteien." Diese Beschreibung passt auch wunderbar in den Kontext der modernen NFL. Letztendlich schließen auch hier verschiedene Parteien – in der Regel der Spieler und das jeweilige Team – einen Kontrakt darüber ab, für wie viel Geld, unter welchen Umständen und für wie lange der Erstgenannte seine Knochen für eine Mannschaft hinhalten muss. Das ist eigentlich sehr einfach zu verstehen und normalerweise wären damit auch die gesamten Rahmenbedingungen geklärt. Wenn nicht immer mal wieder und vor allem auch in jüngster Zeit so mancher eine andere Auffassung davon hätte, was "wie lange" bedeutet.

NFL-Profis fordern regelmäßig Trades

Dass Spieler in der National Football League mehr oder weniger lautstark einen Trade fordern ist seit jeher nicht wirklich ungewöhnlich, liegt aber natürlich in der heutigen Zeit durch das gesteigerte Medieninteresse unter einem speziellen Vergrößerungsglas. Hinzu kommt ein sich bei den Aktiven wandelndes Selbstverständnis von administrativer Autonomie und Mitbestimmung, welche viele Spieler in neoliberalen Tagen nicht selten als Gott gegeben betrachten. Vor diesem Hintergrund nimmt auch die aktuelle NFL Offseason ihren Lauf, in der unter anderem Superstar-Quarterbacks Aaron Rodgers und Lamar Jackson als auch Premium-Verteidiger wie Devin White und Budda Baker an ihre Teams mit dem Wunsch herangetreten sind, doch bitte zukünftig eine neue Adresse bewohnen zu dürfen.

Die große Frage muss in diesen Fällen nicht unbedingt die jeweils individuelle in der singulären Situation sein, sondern man kann auch jene stellen, welche dem Sachverhalt des "Trade Request" eine philosophische Dimension in Bezug auf die NFL als solche schenkt. Darf ein Spieler, der einen laufenden Vertrag mit einem Team hat, von eben jenem fordern, zu einem anderen Team geschickt zu werden? Und in diesem Zuge zumeist auch seinen eigenen Marktwert wie auch die Verhandlungsposition in möglichen Tradegesprächen seines Arbeitsgebers schwächen? Die einfache Antwort ist: Ja klar darf er das – wobei es eine durchaus markante Differenzierung gibt!

NFL-Verträge sind besondere Geschichten

Niemandem ist es natürlich verboten seine Wünsche zu äußern, was diese allerdings im gleichen Atemzug weder angemessen noch richtig macht. Dabei gibt es sicherlich auch eine Form des Trade Request, der sich auf verständnisvollem zwischenmenschlichem Niveau bewegt. Man denke an einen Spieler, der sich vielleicht unzählige Jahre für eine Franchise verdient gemacht hat, jetzt aber kurz vor dem Karriereende nochmal irgendwo anders um eine Meisterschaft mitspielen, näher bei Verwandten wohnen oder was auch immer möchte. In so einem Fall findet ganz sicher ein respektvolles Gespräch hinter verschlossenen Türen statt, in dem man sich aus alter Verbundenheit um eine für beide Seiten annehmbare Lösung einigt.

Viele Trade-Gesuche in der modernen NFL fallen aber natürlich eher nicht unter diese Kategorie, sondern es geht schlichtweg um mehr Geld, eine bessere sportliche Situation oder das oftmals zarte Empfinden des Individuums Spieler. Und kann man es nicht auch ein Stück weit verstehen? Wer hat Lust, für eine in häufigen Fällen dilettantische sportliche Führung oder geldgierige Besitzer aufzulaufen, die so manchem hochambitionierten Akteur jegliche professionellen Ziele in unerreichbare Ferne katapultieren? Wer würde nicht anmerken, wenn er die eigene Arbeit als monetär nicht wirklich wertgeschätzt sieht? Oder wem kann man es vorwerfen, dass er vielleicht in einem gewissen Mannschaftsgefüge nicht mehr zurechtkommt und eben eine Trennung als die beste Lösung für beide Seiten erachtet? Es sind valide Punkte, die so in gewisser Form ja auch im normalen Leben vorkommen.

Kündigungsrecht in der NFL?

Schließlich steht es den meisten Angestellten in den Marktwirtschaften der westlichen Hemisphäre frei, für wen sie wann und wie viel arbeiten. Bei einer Kündigung kann man sich einen neuen Arbeitgeber suchen, mit allen Vorteilen und Risiken, die damit natürlich verbunden sind. Warum also sollten das die Profis der NFL nicht ebenso handhaben dürfen? Ganz einfach, weil der Planet National Football League eben nicht die normale Welt ist. Im Gegenteil, womit nicht bloß die im Vergleich sehr hohen Gehälter der Gridiron-Gladiatoren gemeint sind, welche sich letztendlich aus dem öffentlichen Interesse speisen.

Vielmehr bewegen sich Spieler in einem Gesamtkonstrukt aus Teams, in einem Franchise-System und im Schatten des Salary-Cap, in dem es eben andere Regeln geben muss. Es sind Regeln, die unter anderem die Vertreter der Spieler selbst in der Gewerkschaft ausgehandelt haben. Und noch viel wichtiger, es sind Regeln, denen die Profis mit der Unterschrift eines Vertrages zugestimmt haben. Wenn es jemanden stört, dass er auf einmal besser spielt und plötzlich mehr Geld verdienen könnte, dann muss man ihm schlichtweg sagen: Pech gehabt! Er hatte die Möglichkeit einen anderen Vertrag mit weniger Jahren zu unterzeichnen, wollte damals aber nicht „auf sich setzen“. Was verständlich ist, was aber wie auch das komplette Vertrauen auf geldgierige Agenten gleichermaßen Konsequenzen nach sich zieht.

Abstruser Alltag im NFL-Vertragspoker

Es ist nicht so, als ob das NFL’sche Vertragssystem voller Fairness sprudelt oder auch nur im Entferntesten noch von Nicht-Salary-Cap-Gurus nachvollziehbar wäre. Mit allen Besonderheiten und Gefahren des Berufs haben Spieler jedes nur erdenkliche Recht, auf ihr Wohl zu pochen und auch das Maximum aus ihrer eigenen Karriere in jeglicher Hinsicht zu machen, gerade auch was eine Absicherung nach der Karriere angeht. Aber sie werden entgegen in ihrer Einfältigkeit kaum zu überbietender Einlassungen so manchen Ex-Quarterbacks nicht dazu gezwungen, einen Millionen-Dollar-Vertrag zu unterschreiben und fortan als Sklaven dem Evil Empire zu dienen. Sie wissen mit ihren Agenten – wenn sie denn einen haben – schon ganz genau, was sie tun.

So ist es dann eben auch mit dem Trade Request oder den in jeder Offseason um sich greifenden "Holdouts". Sie pervertieren ein eigentlich von allen Seiten akzeptiertes System, senden doch eher bittere Botschaften nach außen und lassen gerade Menschen in der echten Welt manchmal einfach nur noch mit dem Kopf schütteln. Aber gut, einem Trade Request muss ja auch nicht stattgegeben werden, wobei auch das natürlich weitere hässliche Schlammschlachten abseits des Feldes nach sich ziehen kann. Da geht man doch meist eher einen anderen Weg, was dann vielleicht im Duden unter "außergerichtlicher Einigung" zu finden wäre. Aber auch nur vielleicht.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel