Jalin Hyatt will sich beim NFL Combine von seiner besten Seite zeigen. Credit: Imago Images / USA Today / George Walker

Der NFL Combine läuft nächste Woche. Während sich die meisten Draft Prospects intensiv auf das große öffentliche Event vorbereitet haben, findet der wichtigste Teil der Veranstaltung im Lucas Oil Stadium in Indianapolis hinter verschlossenen Türen statt. Wer sollte beim Schaulaufen vor den Augen aller 32 General Manager der Profiteams besonders auffallen und welche Drills und Einheiten sind dabei eigentlich besonders aussagekräftig? Das klären wir in der heutigen Freitagskolumne zum NFL Draft 2023. 

Bei manchen als “Unterhosen-Olympiade” verschrien, gilt der NFL Combine weiterhin als einer der wichtigsten Meilensteine bei der Evaluation von Talenten für die Profiliga. Die jungen Spieler werden gemessen und gewogen, bestreiten athletische Drills, um Sprintfähigkeiten, Sprungkraft und Beweglichkeit zu bewerten, absolvieren vorbereitete Trainingseinheiten und führen zahlreiche Interviews, quasi Bewerbungsgespräche mit den wichtigsten Offiziellen der NFL Teams. 

NFL Combine 2023

Dementsprechend sind die Augen in den nächsten zwei Wochen auf Indianapolis gerichtet. Bereits an diesem Sonntag reisen die ersten Spieler an. Mit ihnen natürlich auch die Scouts und Teamverantwortlichen. Am 6. März reisen die letzten Prospects wieder ab. Danach gehen die Scouts noch einmal in die Videoanalyse, bevor sie zu den Pro Days auf dem jeweiligen Campus der Talente aufschlagen. Erst danach setzt sich das Front Office mit allen Spielerbeobachtern zusammen und erstellt ein Big Board. Dieses Ranking wird bis zum NFL Draft Ende April noch regelmäßig überarbeitet und gibt letztendlich dem NFL Team einen roten Faden mit auf den Weg, nachdem sie in Las Vegas draften werden. 

Will Levis / Quarterback, Kentucky

Die Interviews wurden gerade schon kurz erwähnt. In den Vorstellungsgesprächen müssen vor allem Quarterbacks, da sie nach dem Draft zu “Vocal Leadern”, zu echten Führungsspielern heranreifen sollen, besonders glänzen. Will Levis hat die Einladung zum Senior Bowl ausgeschlagen, womit die General Manager ein erstes offizielles Kennenlernen mit dem Quarterback der Kentucky Wildcats verpasst haben. 

In Scouting-Kreisen wird Levis immer wieder für seine besondere Arbeitsmoral und Führungsstärke gelobt. Eben diese katapultiert ihn aktuell in vielen Mock Drafts weit nach vorne. Es ist stellenweise sogar die Rede davon, dass die Penn State ein großes Juwel per Transfer in den Süden ziehen lassen hat. Oder kennen sie einfach nur die Wahrheit?

Zumindest wissen wir eins. Nach dem NFL Combine werden Teams, die ein Interesse an Levis haben, schlauer sein, denn sie haben dann mehr über seinen Charakter und seine Einstellung in Erfahrung gebracht als bisher. Momentan resultiert die Evaluation von Levis vor allem aus den Aussagen seiner letzten Coaches und ein paar inoffiziellen Gesprächen zwischen Tür und Angel auf dem Campus zwischen Scouts und dem Quarterback. Will Levis sollte in den Interviews ab dem 28. Februar dementsprechend glänzen. 

Jalin Hyatt / Wide Receiver, Tennessee

In seiner College-Zeit war Jalin Hyatt dafür bekannt, auf tiefen Routen schwierige Pässe über die Außenschulter zu fangen. Im 40-Yard Dash dürfte der Receiver von den Tennessee Volunteers deshalb genauso stark sein, wie in den Trainingseinheiten, bei denen die Quarterbacks besonders tiefe Pässe auf vertikalen Routen zu ihren Passempfängern werfen sollen. 

Hier sollten sich Beobachter nicht blenden lassen. Denn für Hyatt geht es vor allem in Agility-Drills, wie dem 3-Cone-Drill, sowie bei horizontalen Routen in den Einheiten darum, Kritiker davon zu überzeugen, dass er mehr als ein Deep Threat sein kann, welches bisher kaum beweisen konnte, dass es gegen Press Coverage eine Lösung findet. Vor allem seine Beweglichkeit wäre hier wichtig. 

Tank Dell / Wide Receiver, Houston

Nathaniel “Tank” Dell gehört zu den Gewinnern des Senior Bowls und wird seine besonderen Momente exakt da haben müssen, wo wir bei Hyatt ohnehin erwarten, dass er glänzen wird. Wie ist es um seinen Top Speed bestellt? Was ist sein Potential am Catch Point und wie athletisch zeigt sich der gerade einmal 1,73 Meter große Receiver von den Houston Texans beim NFL Combine? Beim 40 Yard Dash, dem Vertical (Hochsprung) und vor allem dem Broad Jump (Standweitsprung) werden Scouts genau hinsehen. 

Peter Skoronski / Offensive Tackle, Northwestern

Es ist in jedem Jahr die gleiche Diskussion. Wenn ein Offensive Tackle kurze Arme hat, soll er auf Guard wechseln. Und Peter Skoronski ist der Spieler, den man sich in dieser Draft Season für diese Debatte ausgesucht hat. Nach den Measurements wird die Kritik an seiner fehlenden Reichweite im Spiel nur noch heißer. 

Zuallererst, ja, Skoronski hat bereits am College Guard gespielt, womit ihm ein geforderter Wechsel zumindest nicht schwer fallen würde. Denn ganz so einfach ist es nicht. Wenn jedoch Offensive Line Coaches von Reichweite sprechen, meinen sie nie die Armlänge des Spielers, sondern sein Vermögen, mit den Beinen unter den Hüften auf kürzestem Weg zum Gegenspieler zu gelangen. Dabei kann die Armlänge definitiv helfen. Sie ist aber nicht das einzige Kriterium. 

Und der Tackle von den Northwestern Wildcats hat in seiner bisherigen Karriere fast immer gezeigt, dass er mit fehlender Reichweite in seinem Spiel keine Probleme hat. Neben seiner Armlänge sollten dementsprechend auch seine athletischen Drills beim NFL Combine eine Rolle spielen. Beim 40 Yard Dash sind hierbei die ersten 10 Yards, der 10 Yard Split, entscheidend. Außerdem wird man seine Werte im 20 Yard Shuttle Drill, einem Pendellauf, begutachten. 

Natürlich darf auch mein Lieblingswert über athletisches Vermögen nicht fehlen. Der Broad Jump gibt deshalb ebenfalls etwas mehr Aufschluss über seinen Entwicklungshorizont. 

P.J. Mustipher / Defensive Line, Penn State

In den letzten Jahren erleben wir beim NFL Combine regelmäßig unfassbare Resultate der schweren Jungs in der Defensive Line. Jordan Davis fand sich nach seiner letztjährigen Performance weit oben auf den Boards wieder und wir erinnern uns sicherlich alle noch an Montez Sweat, als er vor wenigen Jahren seine fast 120 Kilogramm mit einer 4,41 im 40 Yard Dash über die Sprintstrecke katapultierte. 

P.J. Mustipher steht hier Synonym für alle Defensive Tackle. Denn viele Beobachter erwarten wieder außergewöhnliche Leistungen von einigen schweren Defendern. Mustipher wiegt beinahe 140 Kilogramm und wird in Relation dessen relativ schnell sein. Wir dürfen uns daher auf die ersten Combine Drills am Donnerstag, den 2. März, freuen. 

Jack Campbell / Linebacker, Iowa

Die NFL Teams reißen sich mittlerweile um die athletischen Freaks unter den Linebackern und der Tracking Record gibt ihnen dabei Recht. Die krassesten Athleten im Zentrum einer Defense zu besitzen, hilft dem Spiel aller Beteiligten in der eigenen Abwehr. Vor ein paar Wochen wurde Roquan Smith nicht ohne Grund mit einem saftigen Fünfjahresvertrag über 100 Millionen US-Dollar ausgestattet. 

Jack Campbell von den Iowa Hawkeyes soll ein Spieler solchen Kalibers sein. Nach dem Combine wissen wir noch etwas mehr. In Shuttle und 3-Cone Drills, sowie weiteren athletischen Einheiten wird sein bisher auffälliges Spiel vom College mit Zahlen und Daten abgeglichen. 

Hierbei schaue ich tatsächlich auch auf das Bankdrücken (Bench Press). Nicht etwa, weil ich wissen möchte, wieviel der leichtfüßige Linebacker drücken kann. Denn darin sollte er lediglich eine Mindestanzahl an Wiederholungen schaffen, weil die Übung wenig über die tatsächliche Kraft eines schnellen Defenders aussagt. Es ist die Intensität, die ich von einem zukünftigen Führungsspieler in der Abwehr sehen möchte, mit der Campbell die weniger beliebte Übung angeht. 

Was wir im TV zu sehen bekommen, ist überwiegend der 40 Yard Dash. Tatsächlich sind die jeweiligen Positionsgruppen aber sechs Tage in Indianapolis und werden dort auf Schritt und Tritt begutachtet. Sich über einen so langen Zeitraum zu verstellen, ist fast unmöglich. Daher ist neben den öffentlichen Drills wichtig, was hinter den Kulissen beim NFL Combine passiert. Wenn Spieler nach der Veranstaltung plötzlich in der Wahrnehmung der nahestehenden Medien sinken oder steigen, hat dies oft mit Problemen in Interviews, bei medizinischen Tests oder dem generellen Auftreten der einzelnen Talente zu tun. 

Von dieser Seite des Atlantiks können wir nur Deutungen dessen anstellen, was tatsächlich außerhalb der athletischen Drills rund um das Lucas Oil Stadium passiert. Ich versuche euch in den nächsten Wochen mit dieser Kolumne und im Podcast von Footballquark auf dem Laufenden zu halten. 

Über den/die Autor/in
Philipp Forstner
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Philipp Forstner
Autor / Redakteur
Philipp schreibt bei TOUCHDOWN24 u.a. über den College Football

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