Chris Jones (l.) und Frank Clark (r.) haben großen Anteil am Super-Bowl-Einzug der Chiefs.
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Wenn wir von den Kansas City Chiefs reden, geht es meistens um die großartige Offense des Teams. Angeführt von MVP-Favorit Patrick Mahomes, Star-Tight-End Travis Kelce und einer herausragenden Offensive Line gehören den Angreifern des Teams die Schlagzeilen. Im Schatten der großen Offensivstars hat sich zuletzt aber mehr und mehr der Pass-Rush des Teams in den Vordergrund gespielt – und war beispielsweise ausschlaggebend für den knappen Sieg über die Cincinnati Bengals im AFC Championship Game. Kann der Unit um Superstar Chris Jones und Playoff-Monster Frank Clark im Super Bowl Ähnliches gelingen, winkt der zweite Titel in der Mahomes-Ära.

 

Wenn man Frank Clark fragt, warum er sich in den Playoffs regelmäßig in ein Sack-Monster verwandelt, weiß der Pass-Rusher der Chiefs auch keine Antworten. „Es passt einfach alles zusammen“, so der 29-Jährige, nachdem er mit 1,5 Sacks tatkräftig zum AFC-Sieg der Chiefs über die Bengals beigetragen hatte. „Ich denke, ich bekomme ein paar mehr Freiheiten in der Postseason. Es ist 'Win or go home'. Wenn du diese Einstellung als Spieler und Coach hast, dann passieren gute Dinge. Es gibt eben einen Grund, warum sie mich geholt haben. Ich habe den Jungs am Tag vor dem Spiel [gegen die Bengals, Anm. d. Red.] gesagt, ich werde vom Anfang bis zum Ende Gas geben.“

Rechnen wir die Sacks hinzu, die Clark in der Divisional-Runde gegen die Jacksonville Jaguars gesammelt hat, liegt er mit jetzt 13,5 Sacks auf Platz drei in der All-Time-Rangliste der NFL-Playoffs. Schafft es Clark, Eagles-Quarterback Jalen Hurts in der Nacht von Sonntag auf Montag [0.30 Uhr] zu Boden zu reißen, würde er den Hall of Famer Bruce Smith auf Rang 2 einholen. Gelingt ihm ein herausragendes Spiel mit mindestens 2,5 Sacks, läge Clark sogar gemeinsam mit Willie McGinest an der Spitze. Eine beeindruckende Auflistung von Spielern und Statistiken, in deren Riege Clark sich bewegt.

Jones erreicht Playoff-Meilenstein

Doch Clark ist nicht der einzige Pass-Rusher der Chiefs, der sich sein Vermächtnis in dieser Postseason schaffen will. Chris Jones spielte gegen die Bengals vielleicht die beste Partie seiner Karriere: Obwohl er in der Regel von zwei Verteidigern gedoppelt wurde, kam er auf zwei Sacks, zehn QB-Pressures und fünf QB-Hits. Seit Jones im Vorjahr im AFC Championship Game einige Sacks auf dem Tisch liegen ließ, hat er sich minutiös auf ein mögliches Rematch mit Joe Burrow und Co. vorbereitet. „Meine ganze Offseason war auf dieses Spiel ausgelegt“, so Jones nach der Partie. „Ich habe im letzten Jahr ein paar Big Plays liegen gelassen. Sie konnten weiterkommen [in den Super Bowl, Anm. d. Red.] und das nehme ich auf meine Kappe. Ich habe die ganze Offseason gearbeitet, um sicherzugehen, dass ich bereit bin, wenn dieser Moment wiederkommt.“

Nun kann man Jones' Leistung gegen die Bengals wahrlich nicht als Breakout bezeichnen, zeigte er seinen massiven Impact doch bereits im gewonnenen Super Bowl LIV gegen die San Francisco 49ers, als er drei Pässe an der Line of Scrimmage zu Boden schlug. Dennoch erreichte Jones am letzten Wochenende einen Meilenstein in seiner siebenjährigen NFL-Karriere. Trotz zweier einzelner Saisons mit 15,5 Sacks (eine davon 2022) und insgesamt 65 Sacks in der Regular Season kam Jones in seinen bisherigen 13 Playoff-Spielen noch nicht ein einziges Mal zum Quarterback durch. Bis zum AFC Championship Game.

„Ich persönlich gebe nicht so viel auf Sacks in den Playoffs“, sagte Jones angesprochen auf seinen Meilenstein. „Meine Aufgabe ist es, hart zu spielen, physisch zu spielen und damit meinen Teamkollegen um mich herum zu helfen, Plays zu machen. Mir ist egal, ob das bedeutet, ein Double-Team zu schlucken oder ein Eins-gegen-Eins zu bekommen und das Duell zu gewinnen. Es geht nicht darum, dass du selbst immer alle Sacks machst, so gern ich das hätte. Manchmal geht es darum, anderen Spielern Freiraum zu verschaffen, damit sie überragen können.“

Unglaubliche Stats trotz Double-Teams

Selten hören wir so selbstlose Worte von einem Spieler, schließlich werden gerade Pass-Rusher in der Liga noch immer zu sehr nach ihren Sack-Zahlen bezahlt – und weniger nach aussagekräftigeren Statistiken wie Pass-Rush-Win-Rate, die den Teams seit einigen Jahren zur Verfügung stehen. Jones' Spiel gegen die Bengals ist laut ESPN beispielsweise die einzige Playoff-Partie seit der Einführung der Pass-Rush-Win-Rate im Jahr 2017, in dem ein Spieler bei mindestens 80 Prozent seiner Rushes gedoppelt wurde und trotzdem mehrere Sacks erzielte. Jones wurde bei 82 Prozent seiner Pass-Rush-Snaps von mindestens zwei Bengals-Spielern geblockt.

„Er ist so verdammt gut“, gab auch der geschlagene Joe Burrow nach dem Spiel zu. „Er ist so groß, stark und physisch. Er versteht wirklich, was der Plan einer Defense gegen ihn ist.“ Als „unaufhaltsamsten Mann der NFL“ hat Kollege Clark Jones neulich bezeichnet und die Art und Weise, wie Jones in den letzten Wochen gespielt hat, gibt Clark recht. Kein anderer Interior Defender hatte in der Regular Season eine höhere Pass-Rush-Win-Rate als Jones (21,5 Prozent). Dabei wurde kein Interior-Defender häufiger gedoppelt als der 28-Jährige (69 Prozent).

Jones musste sich bei 342 Pass-Rushes gegen mindestens zwei Blocker durchsetzen, das sind mit Abstand die meisten ligaweit. Dennoch beendete er das Jahr mit 15,5 Sacks auf Platz 4. „Er war unerbittlich“, lobte Chiefs-Coach Andy Reid seinen Starspieler nach dem Bengals-Spiel. „Er hat ein unglaublich gutes Jahr gespielt.“ Vor Jones' Leistungsexplosion hatten sich die Chiefs schwergetan, die größte Schwachstelle der Bengals im direkten Duell auszunutzen. Sie sackten Burrow im AFC-Titelmatch des Vorjahres nur einmal und brachten ihn auch im Week-13-Duell in der Regular Season nur einmal zu Boden.

Jetzt wartet der härteste Test

In beiden dieser Duelle hatte Clark mit Bauchschmerzen zu kämpfen, die ihn bereits mehrfach Spiele gekostet haben – auch wenn er beide Male auf dem Rasen stand, hatte er kaum einen nennenswerten Impact. „Weil ich gesund war“, beantwortete Clark daher die Frage, warum die Chiefs dieses Mal zu Burrow durchkamen. „Es ist schlicht und einfach das.“ In sieben der elf Playoff-Spiele, die Clark seit seinem Wechsel aus Seattle vor vier Jahren absolviert hat, kam er auf mindestens einen Sack. Er ist auf dem besten Weg, diese Serie 2022 fortzusetzen.

Jetzt wartet auf Jones, Clark und den Rest der Chiefs-Defense aber die größte Herausforderung bislang. Die Offensive Line der Eagles ist eine geölte Maschine. Egal ob das bockstarke Tackle-Duo aus Lane Johnson (RT) und Jordan Mailata (LT) oder die starke Interior-Line um Center Jason Kelce und die Guards Landon Dickerson und Isaac Seumalo: Schwachstellen sind weit und breit nicht zu sehen.

Doch die Chiefs müssen irgendwie einen Weg an dieser menschlichen Mauer vorbeifinden, um Druck auf Hurts auszuüben und ihre Secondary im Duell mit A.J. Brown und Devonta Smith zu entlasten. Da wäre es aus Chiefs-Sicht ganz gut, wenn die eine oder andere Serie ihres am meisten unterschätzten Duos noch ein wenig anhält.


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