Nach elf Spielen Sperre darf Deshaun Watson wieder in der NFL mitmachen. Credit: Imago Images / Icon Sportswire / David Rosenblum

Ein Strafmaß ist verkündet, ebenso Deshaun Watsons Entschuldigung und gleichzeitige Unschuldsbekundung. Der bestimmende NFL-Skandal der vergangenen anderthalb Jahre findet damit in den Augen vieler zwar sein vorläufiges Ende, den faden und wohl auch länger andauernden Beigeschmack wird man damit aber nicht aus den heiseren Kehlen vieler Kritiker verbannt bekommen. Und das zu Recht!

Es gibt eigentlich eine einfache Möglichkeit, wie man zumindest ein komplett entfesseltes Maß an Empörung ob der eigenen Entscheidungen und Handlungen verhindern kann. Wie man den geifernden Massen eben kein Futter auf ihre Mühlen wutschnaubender Verurteilung gibt, sondern sich eher heimlich gedämpfter Kritik aussetzt und anschließend jener mit bedachter Reue sowie Vertrauen in die heilende Wirkung der Zeit den Wind aus den Segeln nimmt. Das Zauberwort heißt Erwartungsmanagement, mit welchem man vorsichtig abwägend die Öffentlichkeit schon vorher auf vielleicht unangenehme Realitäten vorbereitet und ihre Entrüstung damit mittelfristig verteilt.

Damit ist nicht gemeint, wie ein wutschnaubender Silberrücken im ruandischen Busch herum zu trommeln, um dann hinterher als zahmer halbwüchsiger Gorilla an Blättern kauend darauf zu hoffen, dass alles so weitergeht wie bisher. Oder eben als milliardenschwere Sportliga namens NFL Härte beim jüngsten hauseigenen Spielerskandal zu proklamieren, dann aber doch auf eine mehr als nur durchschaubare Art und Weise gelinde gesagt einzuknicken. Es gibt natürlich Gründe dafür, warum die National Football League den durch etliche Anklagen der sexuellen Belästigung in Verruf geratenen Deshaun Watson nicht länger als elf Spiele gesperrt hat. Auch warzm sich die Liga in einer gewissen Zwickmühle befand, auf einem Drahtseilakt zwischen der Bewahrung eines festgeschriebenen Machtgefüges, dem Tanz mit allerlei rechtlichen Schranken und der Sehnsucht nach einem niederschmetternden Präzedenzfall mit Nachwirkung. Letzterer blieb zum Unmut eines großen Teils der Öffentlichkeit aus, von der so mancher nach den jüngsten Ereignissen vielleicht doch auf ein anderes Statement der Liga gehofft hatte. Dieses bleibt aber nicht nur aus, in einer absoluten Farce der Nachbereitung leisten sich prominente Involvierte auch noch erschreckend vielsagende Entgleisungen.

Nachbereitung des Skandals wird zur Farce

Die Besitzer der Browns Dee und Jimmy Haslam salben das eigene Gewissen mit einer Million US-Dollar für die Aufklärung von sexuellem Fehlverhalten, nachdem sie Deshaun Watson einen findigen Vertrag über 230 Millionen US-Dollar gegeben haben. Weitere ihrer Worte über die Beratung für ihren neuen Signal Caller, die allgemeinen Probleme in der Gesellschaft oder den Bedarf für zweite Chancen klingen nach einer klassischen Verdrehung des Verhältnisses zwischen Opfer und Täter. Inwiefern sich zweite Chancen für belästigte Frauen in Zukunft darstellen, darüber wurde kein Wort verloren. Dafür rundete Watson selbst den Skandal noch einmal ab, entschuldigte sich zunächst vermeintlich reumütig, um dann später darauf zu bestehen, dass er unschuldig sei. Auch wenn niemand von außen alle internen Fakten kennen kann, bleibt eben doch festzuhalten, dass hier alle Beteiligten um die Möglichkeit eines schwerwiegenden Fehlverhaltens wissend jegliche Form von Ethik wie eine lästige Fliege aus dem Sichtfeld wischen.

Den Gipfel der Verwerfung erklimmt schlussendlich dann aber die NFL selbst, indem sie Watson just zu jenem Zeitpunkt wieder auf das Feld lässt, an dem die Browns nach Houston reisen müssen. Man kann sich vorstellen, dass der eine oder andere das Spiel sehen wollen wird, aus welchen Gründen auch immer. Jene sind der Liga aber wohl ziemlich egal, die Einschaltquoten werden stimmen, der Dollar rollt. Klingt alles zu einfach? Dem ist wohl zuzustimmen, wobei sich Historie in Form von Ignoranz zugunsten monetärer Interessen hier wiederholt und wann immer Dinge mehrfach passieren riecht es nach etwas, das man wiederkehrendes Muster nennt. Aus diesem scheint die Liga einfach nicht rauszukommen, auch wenn die Causa Watson eine große Möglichkeit darstellte, um besagten Habitus zu brechen.

Die Liga kommt aus der Augenwischerei nicht heraus

Da eben das nicht geschah werden die Geschehnisse nun ihren Gang gehen. Watson wird noch diese Saison zurückkehren, es wird wohl einen weiteren lauten Aufschrei geben und so wirklich loslassen wird das Thema die Cleveland Browns auf für einige Zeit nicht. Dann aber dürfte der ganze Skandal im Rückspiegel immer ein wenig kleiner werden. Die zahlreichen Videos von Deshaun Watson, wie er großzügig Autogramme an erwartungsvolle Kinder beim Training verteilt, die schon jetzt reihenweise in der sozialen Medien kursieren, werden dabei sicherlich helfen. "The Show must go on" ist sicherlich ein Vorsatz, den so ziemlich jeder Fan des ovalen Balles unterschreiben würde, die Frage ist eben, wie man mit gewissen Schattenseiten des Spektakels umgeht und ob man sich hier nicht an höhere Standards halten sollte.

Womit mir wieder beim Erwartungsmanagement wären. Ganz egal ob gesellschaftliche Themen, das Engagement für gewisse gemeinnützige Zwecke oder die Aufrechterhaltung eines wertegeleiteten Images, die NFL und ihre Teams sind gemäß anderen großen Vorbildern aus Politik und Wirtschaft schnell dabei, höchst moralisch als auch politisch korrekt aufzutreten. In vielen Fällen steckt hier hinter auch eine tiefgründige Überzeugung unendlich vieler Beteiligter, die sich keinesfalls alle in einen Topf werfen lassen. Als Business wie auch als Institution fehlt der NFL eben jener Kompass aber leider an so mancher Stelle, aus Mangel an wirklicher Überzeugung bleiben Statements nicht selten leer oder heuchlerisch. Eigentlich wissen das ihre Anhänger auch zum größten Teil ganz genau und sind damit auch irgendwie in ihrer Rolle als bloßer Fan zu Recht im Reinen. Wenn man sie nur nicht hätte glauben lassen, dass dieses Mal etwas anders wird, wären sie wahrscheinlich auch nicht so empört gewesen.

Was in sich wiederum ein ganz anderes Problem wäre…

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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