Die NFL hat sich mit ihrer neuen Regel scheinbar ein Eigentor geschossen. Credit: Imago Images / Icon Sportswire / Nick Tre

In der NFL Offseason werden jedes Jahr auch die Regeln der Liga überdacht, was manchmal zu allerlei Aufregung führen kann. So geschehen in diesen Tagen, als die Oberen der National Football League das „swivel hip drop tackle“ aus dem Spiel verbannen und sich Profis wie Puristen einen Schritt näher beim Flag Football wähnen.

Rich McKay hat in der NFL schon so einiges mitgemacht. Der langjährige General Manager gewann in dieser Funktion unter anderem einen Super Bowl mit den Tampa Bay Buccaneers und er verdingte sich in diversen Funktionärspositionen, denen vor allem die größeren Büros im Vereinsheim zustehen. Derzeit ist er zum Beispiel CEO bei den Atlanta Falcons. Nebenbei arbeitet McKay aber auch in NFL Gremien mit, so ziert ihn derzeit zusätzlich der Titel „Vorsitzender des Competition Committee“. Als eben jener trat er jüngst vor die Presse und geriet trotz all seiner Erfahrung in der Branche ordentlich ins Schwitzen.

Das sagenumwobene „swivel hip drop tackle”

Denn was er verkündete sandte Schockwellen durch die gesamte NFL: Die Liga, so McKay, hat eine Regeländerung beschlossen, welche das sogenannte „swivel hip drop tackle“ für nicht regelkonform erklärt und womit diese Art des Tacklings zukünftig sanktioniert werden wird. Ja, das ist ja schön und gut, aber was genau wird da bestraft? McKay, wohlwissend um den kontroversen Charakter der Entscheidung, hatte direkt ein paar wenig konstante Video Clips mitgebracht und versicherte geradezu gebetsmühlenartig, dass es sich hier nicht um alle „hip drop tackles“ handeln würde sondern nur die „swivels“, also jene, bei denen der Verteidiger seinen Körper herumschwenkt. Ah ja!

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Als „hip drop tackle“ definiert man grob gesagt einen Stopp, bei dem der Verteidiger den Angreifer mit beiden Armen greift, seinen eigenen Unterkörper fallen lässt und damit durch sein Körpergewicht den Spieler in Ballbesitz zu Fall bringt. Die „swivel-Version“ davon besteht in einen Schwenk des Körpers, durch welchen man nicht selten auf den Beinen des Angreifers landet und was laut der NFL merklich das Verletzungsrisiko erhöhen würde. Dementsprechende Studien wurden angeführt und unter dem Deckmantel der „player safety“ ins Feld geführt. Im Großen und Ganzen ist das alles natürlich nur halb so wild, sagt die NFL, es passiert nur einmal im Spiel oder so, aber es ist so akut, dass man sich jetzt darum kümmern muss. Wer dieser Argumentation folgen kann der melde sich bitte.

NFL-Profis schimpfen über neue Regel

Die Reaktion der NFL Aktiven und ihrer Vorgänger ließ jedenfalls nicht lange auf sich warten. Verteidigungsgranden wie J.J. Watt oder Richard Sherman sowie etliche aktuelle Spieler wähnen sich bereits beim Flag Football, sehen die Integrität des Spiels gefährdet und fragen sich, ob man heutzutage in der NFL überhaupt noch verteidigen darf. Dieser puristische Aufschrei ist nicht neu, damit bleibt er in gewisser Weise aber trotzdem berechtigt. Es muss ja nicht gleich die ganz große Verschwörungstheorie von der geldgierigen Liga sein, die im stillen Kämmerlein daran arbeitet, ihre Fans zu gängeln und das Spiel in seinen Grundfesten zu zerstören. Dennoch kommt man eigentlich nicht drum herum festzustellen, dass diese Regeländerung wie viele andere auch inkonsequent und in vielerlei Hinsicht problematisch ist.

Dass die gesamte Geschichte wie der typische gedankliche Auswuchs einiger realitätsfremder Technokraten erscheint ist das eine und wäre sicherlich nichts weltbewegend Neues. Das andere aber ist, dass die NFL sich und vor allem seine Schiedsrichter in eine nahezu unmögliche Position manövriert. Es handelt sich hier schließlich um eine Institution, die es nicht schafft, Woche für Woche glasklar zu definieren, was ein Catch ist und was nicht oder was Pass Interference ist und was nicht. Und jetzt soll das bei einem speziellen Spezialfall von einem Tackle passieren, der sich wenn auch nicht im Training geübt eigentlich in der Hitze des Gefechts kaum verhindern lässt? Na dann viel Glück.

Kontroverse NFL-Sonntage vorprogrammiert

Die kontroversen Situationen sind längst vorprogrammiert, wenn ein Team aufgrund einer solchen Aktion benachteiligt wird, bewegt sich die Evaluation doch in einer kompletten schwammigen Grauzone. Gerüchte von verschobenen Spielen bekommen nach der flächendeckenden Legalisierung von Sportwetten eh schon Aufwind und das dürfte sich bei derartig nebulösen Situationen nur noch verstärken. Und wenn man sich mal in die Situation von NFL-Verteidigern hineinversetzt, dann kann man sich die komplette Verwirrung ebenfalls vorstellen. Sie sollen Weltklassesprinter mit Vorschlaghammeroberschenkeln zu Boden bringen und müssen nun genau darüber nachdenken, wie sie ihre Hüfte denn nun „droppen“ sollen.

So sehr man auch versucht, es zu ändern, Football wird ein brutales Spiel bleiben. Womit die Fortschritte, die man in den vergangenen Jahren in Bezug auf die Sicherheit der Spieler gemacht hat in keiner Weise diskreditiert werden sollen. Sie sind wichtig und nötig, nur müssen sie auch im Einklang mit der Realität des Spiels bleiben. Dann müsste Rich McKay bei der nächsten Bekanntgabe neuer Statuten auch nicht mehr so schwitzen.

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Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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