Denver Broncos Coach Sean Payton ließ kein gutes Haar an seinem Vorgänger Nathaniel Hackett. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Isaiah J. Downing

Sean Payton hatte zuletzt nichts Besseres zu tun, als seinen Vorgänger bei den Denver Broncos zu kritisieren. Der jetzige Jets-Offensive-Coordinator Nathaniel Hackett bekam sogar eine richtige verbale Breitseite verpasst, die vielleicht ein wenig über das letzte Katastrophenjahr in Mile High aussagt, wohl aber weit mehr über Payton selbst verrät!

Die NFL befindet sich eigentlich in einem gewissen Sommerloch. Free Agency und der Draft sind gelaufen, die meisten Wechsel ebenfalls absolviert. Bis zur heißen Phase der Vorbereitung dauert es noch, da wird es sogar im eigentlich minutiös vollgepackten NFL-Kalender ein wenig ruhiger. Zu ruhig sollte es aber nicht werden, dachte sich zumindest Sean Payton. Der Head Coach der Denver Broncos bescherte der Liga nämlich mit seiner überbordenden Kritik an seinem Vorgänger und neuen New-York-Jets-Offensive Coordinator Nathaniel Hackett genau die Art von sportlicher Schmierenkomödie, die perfekt dafür geeignet ist, ein paar Tage im eher unspektakulären Part des Football-Sommers zu vertreiben. Und aber eben auch, um etwas über die Protagonisten der Geschichte zu lernen.

Sean Payton zieht Nathaniel Hackett durch den Kakao

Payton sagte, dass alle Beteiligten an der letztjährigen Katastrophensaison in Denver im übertragenen Sinne „Dreck am Stecken“ und ihren Anteil an besagtem Resultat hätten, nicht bloß der öffentlich stark kritisierte Quarterback Russell Wilson. Der Coaching-Job von Nathaniel Hackett sei laut Payton „vielleicht einer der schlechtesten in der Geschichte der NFL“ gewesen und während es nicht oft passiert, dass Teams in einem Jahr bis auf die Knochen blamiert werden, so sei das letzte Saison in Mile High definitiv der Fall gewesen.

Stimmt doch alles, oder? Die Denver Broncos waren 2022 zweifellos ein sportlicher Autounfall mit Totalschaden und Nathaniel Hackett vergeigte seine Premierensaison als NFL-Head-Coach regelrecht nach Strich und Faden, wofür er schon reichlich an öffentlicher Schelte einstecken musste. Wer braucht also nochmal Sean Payton, um vor den Augen und Ohren der Welt auf ihn drauf zu kloppen? Eigentlich nur Sean Payton selbst, der sich damit aber vielleicht einen zwischenmenschlichen Fumble geleistet hat, der so leicht nicht wieder gutzumachen ist.

Interessieren wird es den traditionell selbstbewussten bis mehr als von sich überzeugten Übungsleiter im ersten Moment wohl nicht. Er ruderte zwar bereits halbherzig in einer Pressekonferenz zurück, seine holprige Entschuldigung war aber eher halbseiden. Viel deutlicher war dagegen seine Message in den ursprünglichen Aussagen, die seinen Allerwertesten schon jetzt einmal absichern sollen für den Fall, dass auch für ihn die Luft in den Rockies ein wenig dünn wird und er die Broncos nicht hinbekommt.

Sean Payton ist seit jeher kein Kind von Traurigkeit

Denn was Payton zwischen den Zeilen sagt ist, dass sein Vorgänger so einen miesen Job gemacht hat, dass er quasi bei null anfangen und erst einmal den gesamten Stall der Wildpferde ausmisten muss, bevor er überhaupt ans Gewinnen denken kann. Übersetzung für nicht ganz so PR-affine Zeitgenossen: Wenn die Broncos scheitern, ist es nicht Paytons Fehler, die Situation war dann einfach zu schlecht. Gleichermaßen hilft er hier seinem Quarterback Russell Wilson, dessen Verfehlungen im Vorjahr ebenfalls reichlich dokumentiert sind, dem Payton nun aber mehr oder weniger einen Freifahrtschein für das Scheitern 2022 gibt.

Das mag auf irgendeine Weise für Payton vielleicht sogar Sinn machen, von zwei Dingen zeugt es aber keineswegs: Menschlicher Größe und Klasse. Es gibt unter NFL-Coaches ungeschriebene Gesetze, eine Art „Code“, die es ihnen verbietet, in dieser Art und Weise die Arbeit eines Kollegen öffentlich zu diskreditieren. Selbst wenn es ihn nicht gebe, so ziemlich jede Großmutter auf dieser Erde bringt ihren Enkelkindern bei, dass es schlechter Stil und moralisch verwerflich ist, auf die von Payton gewählte Weise nachzutreten. Auch wenn man damit noch so Recht haben mag, es gehört sich einfach nicht und wird in Ligakreisen sicherlich so manche Augenbrauen gehoben haben.

Vielleicht wird es das auch nicht tun, denn schließlich sind Sean Payton und ethische Prinzipien nicht direkt etwas, was man als NFL-Beobachter miteinander verbinden würde. Eine in den Augen vieler durchaus unreflektierte Selbstwahrnehmung oder der grantige Umgang mit seinem Umfeld sind das eine, ein Aufziehen von Minnesota-Vikings-Fans in einem fast gewonnenen Playoffspiel das andere – wofür das Karma ja dann auch prompt in Form des „Minneapolis Miracle“ in Erscheinung trat. Aber die größte Kerze auf der Torte ist und bleibt der Bounty-Skandal von Payton in New Orleans.

Broncos gegen Jets wird zum Blockbuster

Als Head Coach, der wissentlich die böswillige Verletzung gegnerischer Spieler gefördert hat und dafür von der Liga leider viel zu gering bestraft wurde, sollte man sich vielleicht ein wenig mit der Kritik an anderen Coaches zurückhalten. Noch dazu, wenn man selbst das große Glück als Übungsleiter hatte, Zeit seiner Karriere mit einem Hall-Of-Fame Quarterback namens Drew Brees gesegnet gewesen zu sein.

Einem derartigen Kaliber wird Payton mit den Broncos in Woche Fünf der kommenden NFL-Saison ebenfalls begegnen, wenn es – danke liebe Spielplan-Götter – gegen die New York Jets, Nathaniel Hackett und Aaron Rodgers geht. Letzterer ist ein großer Fan und Kumpel von Hackett aus gemeinsamen Packers-Tagen und wird sich die Worte von Payton genau gemerkt haben. Schließlich ließ der Broncos-Coach „Gang Green“ auch noch wissen, dass er nichts davon halte, wie die Franchise aus New Jersey angeblich versuche, die Offseason mit Schlagzeilen zu gewinnen. Womit natürlich alles für ein ganz besonders brisantes Duell in der Regular Season angerichtet wäre.

Und wenn das aus irgendeinem Grund doch nicht der Fall sein sollte, dann hat die Geschichte immerhin gereicht, um einen kleinen Teil des Sommerlochs zu füllen.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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