Aaron Rodgers vielleicht letzter großer Moment bei den Jets und in der NFL? Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Vincent Carchietta

Week One der 2023er NFL Saison ist vorbei und wie jedes Jahr üblich überschlagen sich die Reaktionen auf das Gesehene quasi im Sekundentakt. Hohe Siege sorgen für Jubelarien, deftige Niederlagen für Weltuntergangsszenarien. Touchdown24 untersucht einmal: Wo wird dabei überreagiert, wo vielleicht nicht?

Viele Monate wartet der gemeine NFL-Fan auf genau diesen Tag. Week One. Opening Day. Tag Eins der NFL Regular Season 2023. Die erste echte Football-Action der neuen Saison, der erste Blick auf das geliebte eigene Team. Jenes kommt sofort auf den Prüfstand, ob die vielen Versprechungen der langen Offseason denn auch wirklich Substanz haben oder am Ende doch nur heiße Luft waren. Entgegen Training Camp, Preseason oder geheimen Reports ist das erste Regular Season Spiel für jeden die erste belastbare Evidenz dafür, was vielleicht in der NFL Season 2023 alles möglich sein könnte. Oder eben auch nicht. Aber wie heißt es so schön: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

Übersetzt in eine NFL-Terminologie lautet das Motto ganz egal wie überragend oder wie furchtbar sich ein Team in Week One präsentiert hat, die langfristige Bedeutung für die gesamte Saison bleibt letztendlich weit hinter der ersten Reaktion zurück. Spätere Super Bowl Champions haben schon Auftaktmatches vergeigt und letztendliche Kellerkinder brannten schon so manches Feuerwerk zum Saisonauftakt ab. Was jedoch nicht heißt, dass man alles Gesehene einfach so als Anomalie abtun kann, ganz im Gegenteil, womit man sich auch mal an einer kleinen Einordnung versuchen kann.

Überreaktion: Die Detroit Lions spielen um den Super Bowl

Wer die amtierenden Super Bowl Champions schlägt, der kann sich zumindest mal über die verfügbaren Hotels und Flüge im kommenden Februar Gedanken machen, oder? Natürlich kann man das, aber die Detroit Lions sollten dabei eine gute Reiserücktrittsversicherung abschließen.

Der Auftaktsieg der Lions in Kansas City war definitiv ein Zeichen, dass sich in Detroit tatsächlich etwas geändert hat und man mit den Mannen von Dan Campbell auch in diesem Jahr rechnen muss. Teil der Wahrheit ist aber auch, dass man sich einer neu zusammengewürfelten Offensive Line der Chiefs gegenübersah und mit Travis Kelce sowie Chris Jones zwei All-Pros bei Kansas City fehlten.

Keine Überreaktion: Die 49ers haben es drauf

Dass die San Francisco 49ers zum engeren Favoritenkreis zählen würden, darin waren sich eigentlich alle NFL-Beobachter einig. Der Kader ist in Sachen Talent ungefähr so vollgestopft wie Onkel Dagoberts Geldspeicher, womit man selbst einen vielleicht doch eher rostigen oder gar noch angeschlagenen Brock Purdy nach seiner Verletzungspause locker überleben könnte.

Dass man dann aber direkt nach Pittsburgh hineinwalzt und den zugegeben etwas indisponierten Steelers eigentlich gar keine Chance lässt ist schon ziemlich beeindruckend. Denn ganz egal wie gut die Heimmannschaft auch sein mag, „on the road“ lebt es sich gerade in Week One niemals einfach. Schon gar nicht, wenn man gegen ein hungriges Team mit Playoff-Hoffnungen antritt.

Überreaktion: Aaron Rodgers‘ Karriere ist vorbei

Als Aaron Rodgers mit schmerzverzehrten Gesicht auf dem Boden des MetLife Stadium liegenblieb, fühlte es sich an, als ob jemand die gesamte Atemluft aus dem Stadion gezogen hat. Es dauerte zweifellos lange, bis die Fans der New York Jets ihre zu Boden gefallenen Kinnladen wieder aufgesammelt hatten. Ganz besonders gruselig: Schon 1999 verloren die auf den Super Bowl hoffenden Jets ihren Starter Vinny Testaverde aufgrund einer Achillessehnenverletzung – und an Rodgers‘ schicksalhaftem Monday Night Game war er als Ehrenkapitän beim Coin Toss dabei. Man will ja nicht an Flüche glauben, aber manchmal muss man es einfach.

Eine ganz andere Frage neben dem Elend der Gang Green Anhänger lautet aber: War es das für Aaron Rodgers? Ein Achillessehnenriss ist selbst in der heutigen medizinischen Moderne eine ganz böse Geschichte, erst recht für einen bald 40-Jährigen NFL-Quarterback. So motiviert dieser auch in Jahr Eins im Big Apple schien, er wird wohl noch ein paar Mal die Dunkelheit befragen, ob dieses traurige Ende nicht auch ein Zeichen für seine persönliche Zukunft ist. Definitiv sagen lässt es sich zum jetzigen Zeitpunkt aber keineswegs.

Keine Überreaktion: Der Druck auf Josh Allen ist real

Eigentlich hätte es ein ganz entspannter Abend für Josh Allen und die Buffalo Bills bei den New York Jets werden können. Nachdem Aaron Rodgers das Spiel in der ersten Angriffsserie verlassen musste sah man sich Backup Zach Wilson gegenüber. Noch einmal: Zach Wilson! Und anstatt ruhig darauf zu warten, dass eben jener wie in der Vergangenheit eigentlich fast immer das Spiel wegwirft, entschied sich Josh Allen dafür, die Jets mit einer Lawine an Fehlern im Spiel zu halten.

Klar, der Verteidigung der Jets möchte man nicht in einer dunklen Gasse begegnen, geschweige denn auf einem Football-Feld. Aber Allens Aussagen zu seiner Leistung nach dem Spiel lassen tief blicken. „Ich habe versucht, den Ball irgendwo hinzuzwingen“, sagte der Bills-Superstar. „Derselbe Mist, derselbe Ort, nur ein anderer Tag.“ Er spielt auf seine schwache Leistung im vergangenen Jahr in New York an, aber wie er wohl selbst fühlt liegt genau hier das Problem. Es scheint keine Entwicklung mehr in Buffalo zu geben, irgendetwas fehlt. Und wenn man das als Leader spürt, dann tut man auf einmal Dinge, die man einfach nicht tun müsste.

Überreaktion: Jordan Love ist die Zukunft in Green Bay

„The Power Of Love“ ist wohl kein Song, der im Locker Room der Chicago Bears nach ihrem Spiel gegen die Green Bay Packers besonders laut aufgedreht wurde. Ganz bestimmt nicht von Justin Fields, dessen MVP-Kandidatur erstmal in die Warteschleife gelegt wurde, oder seinen Teamkollegen in der Defensive, die kein Mittel gegen den neuen Packers-Starter Jordan Love fanden.

Für diesen lief alles im Großen und Ganzen ziemlich rund, schon jetzt hört man das leise Bibbern vom Rest der NFC North, die befürchtet, dass die Cheeseheads nach Brett Favre und Aaron Rodgers direkt den nächsten Top-Signal-Caller an der Hand haben. Dessen 55% Passquote sollte aber noch keine Angst machen, ebenso wie die Tatsache, dass er von zeitweise gruseligen Busts in der Bears-Coverage profitierte. Was nicht heißt, dass er darauf nicht aufbauen kann und vielleicht bald den Status als Franchise Quarterback zementiert.

Keine Überreaktion: Die New York Giants taumeln

Addiert man die letzten beiden Spiele der New York Giants zusammen kommt man auf folgenden Score: 78-7 - für die Gegner wohlgemerkt. Nicht gerade gut und noch schlimmer, weil es ausgerechnet gegen die Philadelphia Eagles in den letztjährigen Playoffs und nun gegen die Dallas Cowboys ging. Beides Mannschaften, mit deren Logos man sich in keiner New Yorker Giants-Kneipe sehen lassen sollte, und die zu den erbittertsten Rivalen der „G-Men“ zählen.

Fernab von dem Problem, dass man in der eigenen Division zu eben jenen Teams aufschauen muss, brennt es bei Brian Dabolls Team an allen Ecken und Enden. Vor allem die Offensive Line bereitet Sorgen, denn abgesehen von dem nun verletzten Andrew Thomas scheint es hier deutlich an Qualität oder Weiterentwicklung zu mangeln. Daniel Jones‘ erste Reaktion auf seinen massiven neuen Vertrag war auch nicht gerade berauschend, was besorgniserregend ist vor dem Hintergrund, dass dieser eigentlich das Signal war, dass man mit Jones ganz oben angreifen will. Eben da, wo Teams wie Philadelphia und Dallas sich womöglich tummeln werden.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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