NFL-Spieler können sich ihrer Rolle als Vorbild kaum erwehren. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Lucas Peltier

Carson Wentz posierte jüngst mit einem auf der Jagd erlegten Bären, die digitale Empörung ließ nicht lange auf sich warten. Der Vorfall mag kontrovers diskutiert werden, wirft aber eigentlich eine viel grundsätzlichere Frage auf: Sind NFL-Stars Vorbilder? Und wenn ja, sind sie gute?

Einmal kurz vorab gesagt: Ich liebe Bären.

Sie zählen mehr oder weniger zu meinen Lieblingstieren auf Gottes grüner Erde, ich bewundere ihre Fähigkeiten, den Mythos, der sie umgibt, und ich hatte das große Glück diese faszinierenden Geschöpfe in freier Wildbahn sehen zu dürfen. Mit diesem Background müsste die Reaktion auf den jüngsten Instagram-Beitrag von Carson Wentz eigentlich schnell geklärt sein. Da posiert der früher vielversprechende und mittlerweile arbeitslose NFL-Quarterback mit einem toten Schwarzbären, den er selbst auf der Jagd erlegt hat. Die zwitschernden Überwachungsgarden brauchten nicht lange, um eine LKW-Ladung der Empörung über Wentz abzuladen, was letztendlich aber selbst für einen ausgewiesenen Bärenfreund befremdlich erschien. Zum wiederholten Male.

Bei allem Mitgefühl und aller Bewunderung für das Tier, die Wentz in seinem Post übrigens ebenfalls versuchte auszudrücken, sollte man sich der Tatsache erinnern, das der Ex-Washington-Commander nichts Kriminelles getan hat, so er denn alle Richtlinien der Jagd eingehalten und unter vollstem Verständnis dafür, dass man die Zurschaustellung in sozialen Medien kritisch sehen kann. Die Schwarzbärenjagd ist in Alaska unter gewissen Bedingungen absolut legal, die Spezies ist nicht gefährdet. Wie übrigens auch an unendlich vielen anderen Orten auf dieser Erde. Nun mag man die Jagd an sich verurteilen – ein komplett legitimer Punkt, wenn auch oft pervertiert im andauernden Kulturkampf – sollte dabei dann aber auch nicht vergessen, dass es unzählige Menschen gibt, die wertfrei eine andere Lebensrealität haben als man selbst. Für die dieser Zeitvertreib ein fester, erfüllender Bestandteil ihres Lebens ist, dem sie nach bestem Gewissen und mit Rücksicht auf die Natur nachgehen. In den meisten Fällen mit weit mehr ökologischem Bewusstsein, als es viele im stillen Kämmerlein und mit empörungsfreudigem Twitter-Account für das eigene Ego entwickeln könnten.

Dürfen oder müssen NFL-Spieler Vorbilder sein?

Die eigentliche Frage, die an der Causa Wentz aufkommt, ist in meinen Augen aber eine ganz andere, eine viel grundsätzlichere. Sie stellt sich so oder so ähnlich schon seit Jahrzehnten in der NFL und im Profisport allgemein, in der jüngeren Vergangenheit wohl mehr denn je. Auf den Football bezogen lautet sie: Sollten NFL-Spieler Vorbilder sein? Ein wenig hinkt diese Formulierung, denn ein Teil der Antwort ist unumgänglich – sie sind es einfach. Auch wenn manch einer ihnen diese Bürde frei nach Charles "I’m not a role model" Barkley gerne absprechen würde, die Spieler können sich dieser Tatsache schlichtweg nicht erwehren. Überall auf der Welt himmeln Kinder sie an, wollen so sein wie sie, verfolgen jeden noch so kleinen Schritt und eifern ihnen nach. Es ist ein wichtiger Bestandteil des Phänomens American Football einerseits, eine zusehends schwieriger einzuordnende Entwicklung andererseits.

Denn bei all denen, die es verdienen, aufgrund aufopferungsvollem Einsatz abseits des Feldes, Mitgefühl und menschlicher Größe als Idole von anderen gesehen zu werden, gibt es reihenweise Kollegen in der National Football League, die vielleicht zum Tackle oder Touchdown taugen, deren charakterliche Verwerflichkeit sie aber zu nicht viel anderem befähigen sollte. Kriminelle, Gewalttäter, rücksichtslose Narzissten – die Liste ließe sich unendlich weiterführen. Das wäre in vielen anderen Berufszweigen auf der Welt genauso, letztendlich ist die NFL ein - vielleicht nicht ganz repräsentativer - Querschnitt durch die Gesellschaft, der bei allen Anomalien trotzdem etliche Lebenswirklichkeiten abbildet. Somit ist es durchaus legitim, auch den ein oder anderen NFL-Spieler als Vorbild zu betrachten, nicht zuletzt aufgrund von Werten wie Einsatzwillen, Hingabe, Zielstrebigkeit oder was auch sonst die Profis in die Position gebracht hat, in der sie heute sind. Man sollte dabei aber immer vorsichtig sein.

"Never meet your heroes"

Ein altes amerikanisches Sprichwort besagt nämlich "Never meet your heroes" – triff niemals deine Helden, aus dem einfachen Grund, dass sie dich dann enttäuschen könnten. Die Erinnerungen unzähliger Generationen sind voll von Erlebnissen, wo sie im Kindesalter das vermeintlich Glück hatten, ihre Idole zu treffen, nur um dann festzustellen, dass die schillernde gottgleiche Figur der eigenen Fantasie nur ein arroganter Einfallspinsel ist, der aus irgendeinem unerklärlichen Grund mit sportlichem oder künstlerischen Talent gesegnet worden war. Ganze Welten sind in dieser Form schon zusammengebrochen, in einem Trauerspiel aus Ignoranz einer Klasse, die wenn sie auch alles auf der Erde nicht begreifen mag zumindest den Anstand haben sollte, den Jüngsten unter uns ein klein wenig Respekt und Anteilnahme entgegen zu bringen.

In der heutigen Zeit spielt Social Media hierbei nochmal eine besondere Rolle. Tweets werden von Sportlern oder Menschen der Öffentlichkeit nicht selten mit persönlichen Gedanken gefüllt, die Volksnähe, Anteilnahme und Nähe suggerieren, die letztendlich aber oft auch nur Auswüchse einer ausgeklügelten Brand-Strategie sind. Letzteres kann man Carson Wentz in seinem Fall nun wirklich nicht vorwerfen, ganz nebenbei. Der Punkt bleibt aber, dass viele Menschen denken, sie würden eine besondere Beziehung zu ihren Stars haben, weil sie eine vermeintlich richtige Ansicht in den sozialen Netzwerken verbreitet haben. Dabei sagt das wie auch sportliche Leistungen oder kurze, vom PR-Agenten wohlgeplante Auftritte vor laufenden Kameras nichts über den Menschen an sich aus. Über das Innere, die Seele, das Herz, die Persönlichkeit und den Charakter. Dafür bedarf es mehr.

NFL-Spieler stehen in der Verantwortung

Von der anderen Seite gedacht müssen sich NFL-Spieler dabei natürlich ebenfalls ihrer Position bewusst sein. Sie stehen in der Öffentlichkeit, ihre Worte und ihre Taten haben nicht selten weitreichendere Konsequenzen, als das bei einem Großteil der Menschheit der Fall ist. Damit einher geht eine Verantwortung, ein Bewusstsein dafür, was es heißt, dass unendlich viele Kinder und selbst manchmal Erwachsene zu einem aufschauen. Es ist ein Privileg, was viel Gutes bewirken kann, gleichermaßen aber eben in einer völlig falschen Richtung verschwendet wird, wenn man als Möchtegern-Gangster, Pseudo-Intellektueller oder unkontrolliertes verbales Pulverfass auftritt. So hart das für manche der spielenden Zunft auch sein mag, am Ende bleiben auch sie am Ende alle Menschen, in vielerlei Hinsicht.

Als solcher äußerte sich auch Carson Wentz, was ihm von manchen einige Beachtung einbrachte, von vielen eher Verachtung. Das bekannte Muster kennt man von politischen, moralischen oder gesellschaftlichen Äußerungen, wo ebenfalls immer mal wieder ein wütender Tornado entfacht wird, ohne dass viele begreifen, wie sie mit dieser überbordenden Empörung die wahren Abgründe menschlichen Seins potenziell verharmlosen und banalisieren. Viele sehen das sicherlich anders, wie man so vieles kontrovers sehen und darüber zivilisiert sprechen kann. Zum Beispiel ein Jagdfoto mit einem Schwarzbären oder die Rolle der NFL-Spieler als Vorbild.

Für meinen Teil fände ich es abschließend gesagt übrigens viel schöner, wenn der Bär noch leben würde. Was Carson Wentz aber noch lange nicht zum schlechten Menschen macht. Zum Vorbild aber vielleicht auch nicht...

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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