Amon-Ra St. Brown und seine Detroit Lions stehen in der kommenden NFL-Saison im Fokus. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Junfu Han

In der neuen NFL-Saison werden einige traditionelle Kellerkinder hoch gehandelt, unter anderem wollen die Detroit Lions und die Jacksonville Jaguars ganz oben angreifen. Vor ihnen liegen damit aber längst nicht nur sportliche Hindernisse, vor allem im mentalen Bereich steht ihnen eine große Prüfung ins Haus!

Dan Campbell ist kein Mann, dem es unbedingt an Selbstvertrauen mangelt. Der notorisch extrovertierte Head Coach der Detroit Lions hat sich mit seiner erfrischend angestachelten Art in den vergangenen Jahren viele Freunde gemacht, sowohl innerhalb der „Motor City“ wie auch über die gesamte NFL-Landschaft verteilt. Wenn also gerade er verbal auf die Bremse tritt, zu Vorsicht mahnt und erst einmal die Kirche im Dorf lassen möchte, dann weiß man, dass es sich um eine durchaus knifflige Situation handeln könnte.

Noch bevor die eigentliche NFL-Saison überhaupt angefangen hat sah sich der „Lion King“ zuletzt bereits genötigt, auf die Euphoriebremse zu treten. „Wie immer macht man sich eigentlich am meisten Sorgen um den Hype“, erklärte der ehemalige NFL-Tight-End jüngst nach dem Start des Training Camps seiner Mannschaft. „Das Ganze ist ja auch in Ordnung, aber nur so lange wir uns auf unser Kerngeschäft und die Arbeit vor unserer Brust konzentrieren. Daran erinnere ich die Jungs immer wieder. Wir müssen uns reinhängen und uns alles verdienen.“

Lions und Jaguars wollen in NFL-Elite vorstoßen

Wovor Campbell Angst hat ist zum Teil schon einmal Realität. Die Detroit Lions gehören nach einer mehr als vernünftigen letzten Saison, einigen guten Verstärkungen sowie einem jungen und damit intern potenziell wachsenden Kader für manchen zu den Geheimfavoriten für die kommende NFL-Saison. Die Lions? Ja, ihr habt richtig gelesen, genau die Franchise, die sich jahrelang eigentlich nur selbst im Wege stand und traditionell als eine Art verfluchtes Team verschrien ist.

Dasselbe lässt sich zum Teil auch für die Jacksonville Jaguars sagen. Zwar hatten sie während ihrem doch relativ kurzen Bestehen in der NFL schon so manchen Nukleus aus guten Spielern wie Spielzeiten, insgesamt aber würde niemand auf die Idee kommen, sie zur dauerhaften Liga-Elite zu zählen. Vielleicht wird sich das aber bald ändern, denn die Jags scheinen ihren Quarterback der Zukunft in Trevor Lawrence gefunden zu haben, nahmen ordentlich Geld in den letzten Jahren in die Hand und verfügen mit Doug Pederson über die vermeintlich genau richtige sportliche Führung um mehr zu sein als das, was man in der Vergangenheit immer war.

So mancher mag in den Trainingszentren der beiden Emporkömmlinge bereits die beiden Worte „Super“ und „Bowl“ in einer ganz bestimmten Weise in den Mund nehmen und damit zwar noch weit über das Ziel hinausschießen, doch dieser Umstand zeigt abermals eine Zeitenwende. Die Erwartungen in Michigan und Florida sind hoch, sie sind berechtigt und die jeweiligen Ansprüche sind logische Schlussfolgerungen aus den guten Leistungen der jüngsten Vergangenheit. Jetzt aber – und das gilt nicht nur für „auffem Platz“ – geht der Spaß erst richtig los!

Hype wird für Lions und Jaguars zur Gefahr

Wie von Campbell angedeutet sehen sich aufstrebende Teams nicht nur mit einer gehörigen Portion Hype konfrontiert, sie stehen plötzlich auch vor einer Reihe mentaler Aufgaben, welche schnell zu Stolpersteinen werden können. Auf einmal wird man vom Jäger zum Gejagten, womit Gegner eine ganze Spur härter und motivierter zur Sache gehen, als das vielleicht vorher der Fall war, als man noch hier und da in der Saison unterschätzt wurde. Es ist psychologisch gesehen eine ganze andere Situation, die eine differenzierte Vorbereitung und teilweise sogar andere Impulse verlangt. Ganz zu schweigen von der Anpassung der eigenen Einstellung.

Wer tagtäglich hört, dass er verdammt gut American Football spielen kann, der glaubt es irgendwann – eigentlich ein guter und sogar unabdingbarer Umstand. Man muss ihn aber auch dementsprechend einordnen und wie Campbell sagt, ihn sich jeden Tag als Realität aufs Neue verdienen. Traditionelle Winner in der NFL wie die Steelers oder die Ravens haben damit keine Probleme, das gesamte Gerüst ihrer Franchise und ihr Selbstverständnis sind darauf ausgerichtet. Viele andere haben damit immer wieder Probleme, werden Opfer der eigenen Hybris und lassen sportliches Potenzial durch mentale Unzulänglichkeiten liegen.

Viel wird in Jacksonville und in Detroit davon abhängen, wie gut die jeweiligen Coaches und Leader der beiden Teams die Psychen ihrer Schützlinge eingefangen bekommen. Sowohl Doug Pederson als auch Campbell wissen, wie man einen Super Bowl gewinnt – ein enormer Vorteil. In Detroit kann auch Quarterback Jared Goff so einige Lieder aus seiner Zeit bei den Rams trällern, wo er es ebenfalls ins große Spiel schaffte. Daneben werden sich aber noch andere Profis hervortun müssen, die gerade in schwierigen Situationen vorwegmarschieren und letztendlich ihren jungen Teamkameraden als Stütze zur Seite stehen.

Lions und Jaguars stehen vor neuen Herausforderungen

Denn eines ist sicher: Die schweren Tage werden kommen. Wenn mögliche Siege zu Niederlagen werden, wenn frühe Erwartungen nicht sofort erfüllt werden oder die Presse unangenehme Fragen stellt, dann erst wird ein NFL-Contender-Status wirklich auf die Goldwaage gelegt. Dann müssen sich Mannschaften beweisen, dann müssen sie zeigen, dass sie das Zeug dazu haben, mehr als acht oder neun Spiele zu gewinnen. Demut, Bescheidenheit und eine gesunde Perspektive auf die eigene Position innerhalb der Liga können dabei helfen.

„Ich finde es mit dem Hype schon irgendwie witzig“, sagt Jared Goff in Bezug auf die Lions und die enorm gestiegenen Erwartungen für die kommende NFL-Saison. „Da gehst du mit 9-8 aus der Spielzeit, verpasst die Playoffs und auf einmal bist du ein Favorit. Ich meine, wir haben gute Spieler, gute Coaches und ein gutes Team. Aber erreicht haben wir damit noch gar nichts.“

Gut gebrüllt, Löwe, wird sich auch Dan Campbell denken. Wenn die Spieler derartige Worte verinnerlichen, dann wird das seinen Job und den von Doug Pederson in Jacksonville weitaus einfacher machen. Es sind aber natürlich nur Worte, nicht mehr, nicht weniger. Erst wenn die Spiele beginnen wird sich zeigen, ob man ihnen auch Taten folgen lassen kann.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

- Anzeige -

NFL meist geklickt

Meinung NFL