Derzeit für die NFL wie eine unaufhaltsame Welle: Josh Allen und die Buffalo Bills. Credit: Imago Images / USA Today Network / Gregory Fisher

Zwei Spiele, zwei Siege, die neue NFL-Saison ist für die Buffalo Bills absolut nach Maß gestartet. Mehr noch, das Team aus dem Westen New Yorks sieht in der Frühphase der aktuellen Spielzeit wie der absolute Top-Favorit auf den Super Bowl aus. Was einerseits natürlich sehr schön für die Bills ist, in sich aber auch ein paar Tücken birgt!

Freunde des handwerklichen Tuns werden sie gut kennen, die allseits beliebte Kreissäge. Gut in der Hand, blitzsaubere, unterbrechungsfreie Schnitte auch bei langen Stücken, variabel und in verschiedenen Positionen einsetzbar. Einzig das Holz oder sogar andere Materialen haben unter ihrem rasant drehenden Sägeblatt wenig zu lachen. In etwa so wenig, die derzeit die Gegner der Buffalo Bills.

Buffalo Bills zerlegen die Rams und Titans

Wenn ein Team wie sie auf dem Feld zur Hochform aufläuft und von sich selbst berauscht über seine Gegner hinwegfegt, dann sprechen die Amerikaner gerne von besagter Kreissäge – der „Buzzsaw“ im Englischen. Hintergrund ist, dass die Bills förmlich wie das Messer durch die Butter oder eben die Säge durch das Holz hindurchschneidet und alles unglückliche, das in ihren Blättern landet, zerteilt. Aufzuhalten ist das Drehen der Säge dabei nicht, zumindest nicht von jenen, die vor ihr stehen beziehungsweise in sie hineinlaufen. Wovon die Los Angeles Rams und die Tennessee Titans ein Lied trällern können.

Sie hatten nämlich in den ersten beiden NFL-Saisonwochen das zweifelhafte Vergnügen, auf der Werkbank der Bills zu landen. Sie sind nun wahrlich keine Liga-Laufkundschaft, sondern eher stolze, abgehärtete Teams, die seit Jahren zur Oberklasse der National Football League gehören. Ob das Buffalo interessiert? Wohl nicht, denn das Gesamtergebnis hieß 72:17 für die New Yorker, ein paar zerbrochene Tische, blau angemalte Bäuche und weitere Jubelszenen der Mafia inklusive. Man mag es aufgrund des frühen Zeitpunkts lediglich als sportliches Strohfeuer abtun, aber selbst mancher noch so vorsichtige Experte reibt sich derzeit die Augen, in was für einer Verfassung die Bills sich präsentieren. Und das obwohl sie noch selber reihenweise Fehler machen.

Josh Allen zum Beispiel leistete sich gegen die Rams zwei Interceptions, seine Runningbacks ließen den Ball genauso oft liegen. Gegen Tennessee vergeigte man einen relativ frühen Fourth Down auf klägliche Art und Weise und hielt die Titans damit im Spiel. Genutzt hat es weder Ryan Tannehill und Konsorten noch den amtierenden Super Bowl Champs. Mehr noch: Es dürfte so manchem Team Angst und Bange dabei werden, wenn man sich vorstellt, wie die Buffalo Bills an einem echten Sahnetag aussehen.

Sind die Bills das kompletteste Team der NFL?

Zweifelsohne war ihr Monday Night Massaker gegen Tennessee schon relativ nah an jenem dran, von ein paar Ungenauigkeiten am Anfang abgesehen. Es scheint, als ob Sean McDermotts Truppe jedes noch so kleine Loch aus dem letzten Jahr gestopft hat und gleichzeitig dem ganzen Schiff auch noch einen frischen Anstrich dabei gegeben hat. Josh Allen läuft zu viel und man kann sich nicht auf die eigenen Runningbacks verlassen? Devin Singletary zeigte sich gegen Rams fit und kräftig, James Cook deutete dann gegen Tennessee seine Spritzigkeit an. Der Pass Rush versteckt sich zu oft? Holen wir halt Von Miller und entwickeln ganz nebenbei unsere jungen Edge Verteidiger. Das Receiving Corps ist neben Stefon Diggs nicht tief genug? Gabe Davis, Dawson Knox, Jamison Crowder, Isaiah McKenzie und Jake Kumerow möchten gerne ein Wörtchen mitreden.

Letzterer, den man eigentlich nur als den „guten Kumpel von Aaron Rodgers“ kennt, ist ein Sinnbild dafür, was in Buffalo alles richtig läuft. Denn er ist genau die Art von marginalem Spieler am Ende des Depth Charts, der auf einmal in einem guten Mannschaftsgefüge und in einer für ihn passenden Rolle über sich hinauswächst. Natürlich war sein Auftritt gegen die Titans nur ein Spiel, aber in Buffalo steckt so viel Qualität im Kader, dass es gerade für Rollenspieler auf einmal immer einfacher erscheint, wichtige Plays abzuliefern. So wie es früher so oft auch in Teams wie Green Bay oder New England oder irgendeinem anderen NFL-Contender der Fall war, wo das Kollektiv den Einzelnen stärkt.

Verbindendes Element ist dabei natürlich die Quarterback-Position, wo sich Josh Allen anschickt, in eben jenen Sphären zu werfen wie Brady, Rodgers oder andere große Namen. Seine Playoffstatistiken sind überragend, er hat mehrfach bewiesen, dass er in wichtigen Spielen performen kann und er zeigt zu Beginn dieser NFL-Spielzeit wie fest er die Zügel der Bills in seinen kräftigen Händen hält. Ob gemeinsame Jubelarien mit Videospiel-Kollege Stefon Diggs oder im Sommer veranstaltete Golf-Outings für die ganze Truppe, der bodenständige und dabei selbstbewusste Allen hat voll verstanden, wie Leadership geht. Und bekommt es von seiner Mannschaft mit Anerkennung zurück.

Der Weg zum NFL-Titel bleibt für Buffalo lang

Man könnte noch weitere sportliche Gründe runterrasseln von der tief besetzten Defensive Line über eine Granaten-Secondary bis hin zur massigen Offensive Line, die Balance im Kader der Bills erlaubt es, in jedem Mannschaftsteil eine Stärke zu entdecken, selbst beim Kicker. Das Sahnehäubchen liefert aber wohl die Mentalität. Denn man spürt förmlich, dass die Bills alles daran setzen wollen, ihre bittere Playoff-Niederlage gegen Kansas City aus dem letzten Jahr wettzumachen und dabei dem von vielen bemühten Label „bestes Team der NFL“ gerecht zu werden. Für viele Mannschaften wäre es eine Bürde, erst recht nach der Enttäuschung der Vorsaison, für Buffalo aber scheint es das Schmierfett für eine perfekt laufende Maschine zu sein. Oh pardon, Säge natürlich.

Bei allen Lobeshymnen heißt das allerdings nicht, dass sich das Wetter in Buffalo in den nächsten Wochen und Monaten nicht noch ändern könnte. Denn mit jedem überzeugenden Auftritt, mit jedem kleinen Schritt in Richtung großem Spiel, verlieren jene an Bedeutung und es zählt nur noch eines: Der Titel. Daran wird alles in Buffalo gemessen werden, was die Franchise so ja auch möchte, und auf lange Sicht kann das in einer NFL-Saison zu einem verdammt schweren Gewicht werden. Wenn jede Frage nur noch davon handelt, ob man sich für die Playoffs gewappnet sieht oder was denn mit dem Super Bowl los ist, dann macht das etwas mit der Psyche. Bewusst oder unbewusst, auf jeden Fall aber ist es eine Challenge, der sich die Bills irgendwann stellen müssen.

Derzeit sieht es nicht so aus, als könnte so etwas diesen Bills etwas anhaben aber das weiß im Moment noch niemand. Eine NFL-Saison ist lang, es werden Stolpersteine in Form von weiteren Verletzungen (Gute Besserung an Dane Jackson!), Pech oder Querelen im Weg liegen, von denen man jetzt noch nichts ahnt. Vielleicht fällt den Bills ja auch ein ganzer Baum vor die Füße und versperrt den so sicher geglaubten Pfad in Richtung NFL-Gipfel.

Aber gut, auch da wäre eine Kreissäge natürlich wieder gut zu gebrauchen…

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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