NFL-Superstar Aaron Rodgers wirkt bei den New York Jets bisher sehr zufrieden. Credit: Imago Images / ZUMA Wire / Jason Pohuski

Aaron Rodgers und die New York Jets genießen ihr erstes gemeinsames Training Camp in vollen Zügen, die Serie „Hard Knocks“ lässt parallel die Öffentlichkeit am jungen NFL-Glück teilhaben. Der Mega-Quarterback wirkt teilweise wie ausgewechselt und bewirkt Ähnliches bei seinen neuen Teamkollegen. Fragt sich nur: Wie lange noch?

Ein unnahbarer Narzisst, eine arrogante Drama-Queen, ein vernebelter Verschwörungstheoretiker, ein verirrter Alt-Hippie… was war Aaron Rodgers nicht alles in den vergangenen Jahren nebst seiner Hauptberufung als legendärer NFL-Quarterback. Diese und andere Rufe eilten dem vierfachen Liga-MVP in Siebenmeilenstiefeln voraus, als er sich auf den wohl letzten Weg seiner Karriere gen New Jersey machte, um bei den New York Jets anzuheuern. Diese können sich nun nicht nur von seinem sportlichen Talent überzeugen, sondern merken auch, dass ein zukünftiger Hall Of Famer auf persönlicher Ebene so manche Welle im Locker Room losschlagen kann. In absolut positiver Hinsicht.

Überzeugen konnten sich die Fans der „Gang Green“ unlängst in den ersten Episoden der alljährlichen HBO-Serie „Hard Knocks“, bei der ein Fernsehteam eine NFL-Mannschaft durch die Vorsaison begleitet und die Öffentlichkeit mit allerlei schmucken wie spektakulären Bildern versorgt. Es sind teilweise wirklich atemberaubende Aufnahmen und ein schöner Blick hinter die Kulissen, auch wenn es sicherlich hier und da ein wenig wie ein Werbefilm anmutet. Einen besseren hätten sich die Jets für ihren Superstar in diesem Jahr wohl gar nicht aussuchen oder an der einen wie anderen Stelle sicherlich auch initiieren können. Denn auch wenn er selbst nicht wirklich Bock auf die Schose hatte, so ist Aaron Rodgers doch der unangefochtene Star des Formats und breitet damit die Arme gegenüber seinem neuen Team aus.

Der Neuanfang des Aaron Rodgers

Was hier und da schon hinter verschlossenen Türen vermutet wurde, scheint auf die ersten Blicke Realität. Rodgers wirkt gelöst, relaxt und motiviert – kurzum wie jemand, der nach vielen Jahren NFL-Stress einen Neuanfang gebraucht hat. Manchmal fährt sich eine Beziehung zwischen Spieler und Franchise fest, man versteht sich selbst und den Gegenüber nicht mehr, die gemeinsame Historie ist mehr Bürde als Bund. Bei den Green Bay Packers und Aaron Rodgers wurde es sogar so schlimm, dass der gesamten NFL-Öffentlichkeit die ständigen Episoden der Sportseifenoper nur noch zum Hals raushingen und viele sich nichts sehnlicher wünschten, dass der gesegnete Werfer doch einfach im Stile Lucky Lukes dem Horizont entgegen reiten mag.

Jenen Gefallen tat er diesen Anhängern nicht, wofür vor allem die New York Jets mehr als dankbar sein dürften. Dass er auf eine ordentliche Portion seines Gehalts verzichtet war schon Mal ein brillanter Anfang, auch wenn er so oder so natürlich nicht am Hungertuch nagen wird. Spielerisch ist er derzeit den letzten Jets-Quarterbacks in etwa so weit voraus, wie Cristiano Ronaldo es wäre, wenn er Sonntagsmorgens beim Spiel einer unterklassigen Thekenmannschaft vorbeischauen würde. Was Rodgers seine Backups und auch die anderen Spieler hier und da auch spüren lässt. Jedoch auf sehr dezente und damit keineswegs abwertende Art und Weise, die man bei allem an Arroganz grenzenden Level an Selbstbewusstsein fast sympathisch nennen darf.

Die New York Jets sammeln Selbstbewusstsein

Genau hier liegt aber der eigentliche große Wert von Rodgers für die Jets als Team wie als Franchise. Alle vom Handtuchjungen bis zum Defensive Tackle können von seinem Wissen, seinem Talent und seinem Spielverständnis profitieren, nicht zuletzt deshalb, weil er mit jeder noch so kurzen Trainingseinheit sein Selbstvertrauen auf seine Mitspieler überträgt. Sie spüren, dass sie mit ihrem neuen Quarterback einen zertifizierten „Bad A…“ in den eigenen Reihen haben, einen Spieler, der den Gegnern die ganze Woche über in ihren Albträumen erscheint. Ihn umgarnt die Aura eines echten Hall Of Famers, der zwar irgendwie über den Dingen schwebt, der aber oft genug von den Wolken hinabsteigt, um die Irdischen mit seinem Können zu segnen. Es ist etwas, was nur ganz wenige Spieler in der NFL in dieser Form aufbieten und womit sie ihrem eigenen Team einen ganz neuen Glauben vermitteln können. Den Glauben, dass man jemand ist. Und wenn es nur das Team von Aaron Rodgers sein mag, was schon weit mehr wäre, als was die Jets in der letzten Dekade auf das Parkett zauberten.

Nun muss Rodgers natürlich auch beweisen, dass er noch genug von dem Saft vergangener großer MVP-Jahre in der Flasche hat und die letzte doch eher bescheidene Saison in Green Bay mehr Ausrutscher als Anfang vom Ende war. Die ersten Wasserstandsmeldungen sind aber durchweg positiv, auch weil Rodgers alles tut, was er gemeinerweise in Green Bay zuletzt nicht mehr in dieser Häufigkeit unternahm. Er spricht stetig mit den jungen Spielern, explizit auch mit dem bitter gescheiterten Youngster Zach Wilson, bietet Ratschläge und gemeinsame Essen mit wichtigen Wackelkandidaten wie Tackle Mekhi Becton an und zeigt sich sogar bereit, ein wenig im letzten Preseason Game gegen die New York Giants zu spielen. Ob aus voller Überzeugung oder nicht, die Signale stehen jedenfalls für sich.

Jets & Aaron Rodgers müssen sich beweisen

Das Dumme für die New York Jets und Aaron Rodgers ist nun nur, dass all die schönen Geschichten von „Hard Knocks“, die gemeinsamen Abendessen und die romantischen Sonnenuntergänge mittel- bis langfristig überhaupt nichts bedeuten. Denn wenn die Flitterwochen vorbei sind, wartet der brutal harte NFL-Alltag auf das junge Glück. Ein Alltag, dem man neben Rodgers mit dem Superstar-In-The-Making Garrett Wilson und einer der vielleicht besten Defensive Lines der Liga entgegen tritt, der aber auch schnell dank einer löchrigen Offensive Line zum Martyrium werden kann. Vor allem gemessen an den exorbitant hohen Erwartungen, sowohl in Florham Park als auch in der gesamte Tri-State-Area.

Wenn die ersten Niederlagen sich in der Tabelle niederschlagen wird sich erst wirklich zeigen ob die Transformation – oder Rückbesinnung - des Aaron Rodgers vom mies gelaunten Eigenbrötler hin zum empathischen Teamentwickler wirklich nachhaltig ist. So sie es sein mag, könnte er sich in der „Stadt die niemals schläft“ auf mystische und ewige Art und Weise unsterblich machen. Wenn er allerdings scheitert, dann wird man ihm so manchen Schmähruf hinterher schreien. Wobei, damit kennt er sich ja mittlerweile aus.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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