Aaron Rodgers freut sich über Hilfe bei den New York Jets - auch wenn sie fragil erscheint. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Vincent Carchietta

Natürlich vergeht eine NFL-Offseason nicht ohne wilde Aaron-Rodgers-Gerüchte, unlängst geisterte ein potenzielles politisches Engagement durch das World Wide Web. Damit geriet die Tatsache in den Hintergrund, dass die New York Jets in diesem Sommer eine ganze Menge richtig machen. Sofern das in ihrer Situation überhaupt möglich ist!

Es musste ja passieren. Erst recht nachdem es wochenlang ruhig um Aaron Rodgers war, den alternden Hoffnungsschimmer am grünen New Yorker Footballhimmel. So etwas kann er in seinem narzisstisch geprägten Weltbild natürlich nicht auf sich sitzen lassen und freut sich dieser Tage über allerhand verrückte Schlagzeilen. Denn wenn die letzten Jahre etwas gelehrt haben, dann das eben jener Profi es im Gegensatz zum gesamten Rest der müden NFL Community durchaus gerne sieht, wenn sein Name durch die Schlagzeilen geistert, ja diese Form der Erwähnung sogar quasi als Lebenselixier braucht. Ganz egal ob es um einen Zwist mit albernen Fernsehkommentatoren geht oder endlos erscheinende Vertragsverhandlungen, wichtig ist es präsent zu sein. Aufmerksamkeit und noch mehr Aufmerksamkeit, immer her damit!

Ein letzter Versuch mit Aaron Rodgers

Da passt eine Geschichte, welche Aaron Rodgers als potenziellen Vizepräsident für die Präsidentschaftskandidatur von Robert F. Kennedy sieht, natürlich perfekt ins Bild. So perfekt, dass Rodgers sich mit einem Dementi vornehm zurückhält und damit zumindest für ein paar Tage allerlei Spekulationen freien Lauf lässt. Wirklich ernsthaft sind sie – wie auch die Erfolgsaussichten der Kandidatur – natürlich nicht, trotzdem müssen sich auch die Jets als mundtote Sklaven ihres Über-Quarterbacks vornehm zurückhalten. Schließlich soll es ja etwas werden in der kommenden Saison, womit, dass kann keiner so wirklich realistisch sagen. Das Aaron Rodgers dabei aber ausschlaggebend sein wird daran gibt es keinen Zweifel.

Was man ebenfalls mit Fug und Recht behaupten kann ist die Tatsache, dass die Jets die prekäre Lage mit Rodgers und ihrem doch arg löchrigen Kader fulminant bei den Hörnern gepackt haben. Zur Erinnerung noch einmal die Ausgangslage: Der 40-Jährige Quarterback verpasste als große Hoffnung fast die komplette letzte Saison und „Gang Green“ stolperte mit einem Triumvirat an Backup-Quarterbacks zu sieben enttäuschenden Siegen. Während diese „Erfolge“ hauptsächlich der Defense zu verdanken waren erwies sich die Offensive bis auf wenige Ausnahmen als nicht wirklich NFL-tauglich, ganz besonders galt dies für die Offensive Line und das Wide Receiving Corps. Mit wenig Cap Space, einer limitierten Anzahl an Draft Picks und etlichen Fragezeichen musste man diesem Problem nun insoweit Herr werden, dass man mit Rodgers zu zumindest einem letzten Push für die Playoffs ansetzen kann. Und auch wenn die Lage immer noch alles andere als rosig ist – nicht zuletzt wegen dem gigantischen Fragezeichen hinter Rodgers selbst und etlichen personellen Fehlentscheidungen in den Jahren zuvor – so haben die Jets im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine wirklich smarte Offseason zusammengebastelt.

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New York Jets punkten trotz geringer Ressourcen

Denn auch wenn seine Ressourcen nicht zuletzt durch eigenes Verschulden extrem begrenzt waren schaffte es Joe Douglas trotzdem, bereits vor dem NFL Draft drei neue potenzielle Starter für die Offensive Line zu generieren. Zwei davon (Morgan Moses, John Simpson) starteten letztes Jahr für das beste Team der regulären NFL Saison und der dritte im Bunde (Tyron Smith) ist ein achtfacher Pro Bowler, der es letztes Jahr noch ins 2nd Team All-Pro geschafft hat. Gepaart mit dem jungen vielversprechenden Center Joe Tippmann und dem mehrfach verletzten, dafür aber durchaus talentierten Alijah Vera-Tucker blickt man damit relativ entspannt dem NFL Draft 2024 entgegen. Schließlich ist man jetzt zumindest nicht mehr auf Gedeih und Verderb genötigt, einen Offensive Lineman zu finden und erhält sich genau die Flexibilität, die man vor der alljährlichen Talentlotterie haben will. Erst recht, nachdem die Jets unlängst – vielleicht mit freundlicher Mithilfe eines lokalen Delis – einen Deal für Ex-Chargers Wide Receiver Mike Williams eintüteten, womit ein weiteres Loch potenziell gestopft wurde.

Aber halt! Smith war doch in den letzten Jahren ständig verletzt, ist wie Moses schon 33 Jahre alt und Simpson ist ebenfalls eher ein Durchschnittsstarter, wenn überhaupt. Vera-Tucker erlitt außerdem in den letzten zwei Jahren jeweils eine „season ending injury“ – da kann man doch nicht wirklich drauf bauen, dass dieser Mix im kommenden Jahr irgendwie Week 5, geschweige denn Week 17 oder Gott bewahre die Playoffs erreicht. Auch Mike Williams verpasste weite Teile der letzten Saison mit einem Kreuzbandriss. Absolut korrekt, da sind reihenweise Lotterie-Tickets dabei. Aber gemessen an der Ausgangsposition ist es das wohl nahezu Beste, was die Jets überhaupt zusammenbasteln konnten. Denn so real die Risiken sind, so wahrscheinlich sogar einige Verletzungen in der Zukunft sind, so vielversprechend ist dabei auch das Upside dieser Offense. Und so alternativlos war der Weg wohl für den Moment.

Jets-Offense hat auf einmal zumindest Potenzial

Wenn alle einigermaßen fit sind dann stellt diese Offensive Line Minimum eine solide, wenn nicht sogar ein relativ gute Frontlinie dar. Wie es das Schicksal so will ist der kommende Draft gerade bei den beiden Positionsgruppen extrem tief, wo die Jets immer noch Bedarf in Sache Tiefe haben, nämlich bei den Wide Receivern und der Offensive Line. Denn auch im Draft wäre eine weitere Verpflichtung für ganz vorne nicht ausgeschlossen, schon gar nicht, weil vor allem Smith mit einem durchaus realen Verletzungsrisiko seinen Job antritt. Ein junger vielversprechender Tackle dahinter wäre schon fast ein Luxus, aber sicherlich einer, der absolut Sinn machen würde. Mit dem 10. Pick im NFL Draft stehen den Jets so einige Optionen offen und egal wie sie sich entscheiden, ihre Offense dürfte mit Rodgers, der neuen Offensive Line, Garrett Wilson, Breece Hall, Mike Williams, dem Top Rookie und vielleicht einem weiteren Free Agent Receiver ziemlich vielversprechend aus der spielfreien Zeit kommen. Zumindest am ersten Tag.

Aber genau darum ging es ja realistischer Weise in diesem Sommer, irgendwie musste man einen Angriff formen, der bei geringen Kosten einigermaßen Potenzial hat. Klar wären ein junger Quarterback, ein graduelles Wachsen, gesündere Stars und ein nachhaltiger Aufbau des Teams schöner, noch dazu weil es mehr Identifikation schafft. Aber dieser Zug fuhr an dem Tag aus dem Bahnhof, als sich Zach Wilson als Bust erwies und man sich für Plan B mit Rodgers entschied. Nun muss man eben mit den Konsequenzen leben, was die Jets für den Moment ziemlich beachtlich tun. Letztendlich geht es ja erstmal nur um ein einziges Jahr, das man aus dieser Gruppe und aus diesem Roster herausholen muss. Ein einziges Jahr, dann sieht man weiter.

Vielleicht sind es auch zwei, aber das überlassen wir dann Herrn Rodgers, darüber im kommenden Frühjahr zu informieren.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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