Roman Motzkus gehört hierzulande zu den bekanntesten Gesichtern im American Football. In seiner aktiven Karriere war er einer der besten deutschen Wide Receiver und ist Urgestein von Berlin Adler. Als Kommentator bei ranNFL bringt er dem deutschsprachigen Publikum zudem die amerikanische Superliga näher. Wie Motzkus die Offseason verbracht hat und was er von der kommenden Saison erwartet, darüber hat TOUCHDOWN24 mit dem 52-Jährigen gesprochen.

TOUCHDOWN24: Hallo Herr Motzkus, wie haben Sie die letzten Monate nach dem Super Bowl verbracht? Ist der Tank wieder aufgeladen?

 

Roman Motzkus: Die ersten eineinhalb Monate habe ich ehrlicherweise erstmal viel Schlaf nachgeholt. So eine Football-Saison zehrt einen doch ganz schön. In dieser Phase habe ich auch einfach mal Fünfe grade sein lassen und geschaut, dass ich mich mehr mit meiner Familie beschäftige, ausruhe und entspanne.

 

TOUCHDOWN24: Die vergangene Saison war ja mit dem Super Bowl, den Sie live begleitet haben, auch nochmal besonders intensiv zum Ende hin, oder?

 

Motzkus: Live vor Ort dabei zu sein, war schon etwas Besonderes und ich musste die Eindrücke erst einmal sacken lassen. Auch um wieder auf ein normales Level zu kommen und nicht nur Football im Kopf zu haben.

 

TOUCHDOWN24: Wie sieht denn Ihre persönliche Zukunft aus? Dürfen sich die Fans darauf freuen, ein weiteres Jahr bei ranNFL von ihrem “Statistik-Gott“ begleitet zu werden?

 

Motzkus: Ich habe die mündliche Zusage des Senders bereits erhalten und die Vertragsoption wurde gezogen. Von daher gehe ich davon aus, dass ich ab der Preseason wieder dabei sein werde und ab September geht es dann ja wieder voll mit der neuen Season los.

 

TOUCHDOWN24: Sie sagen es. Die neue Saison wirft ihre Schatten voraus. Was ist denn in der Offseason passiert, was Sie am meisten mit in die neue Saison nehmen?

 

Motzkus: Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich in der Offseason ein wenig Abstand gewonnen habe, aber natürlich bekommt man trotzdem einiges mit. Allen voran Tom Brady, Rücktritt, Rücktritt vom Rücktritt. Mit den meisten Trades und Wechseln beschäftige ich mich immer erst zur Preseason, wenn man wirklich einen realistischen Überblick über die tatsächlichen Roster haben kann. Ich bin der Meinung, dass Anfang August dafür ein guter Zeitpunkt ist. Bis dahin passiert noch immer so viel.

 

 

TOUCHDOWN24: Gab es trotzdem einige Schlagzeilen, die hängengeblieben sind?

 

Motzkus: Natürlich, ich richte meinen Blick immer wieder gerne auf die Quarterback-Situationen in der Liga. Carson Wentz beispielsweise, der nach nur einem Jahr in Indianapolis schon wieder nach Washington gegangen ist. Da denke ich spontan, dass es einfach schade ist, weil er mal so ein großes Talent mitgebracht hatte. Darüber hinaus achte ich als ehemaliger Receiver gerne auf das, was auf der Wide-Receiver-Position so passiert. Und da war einiges los, Tyreek Hill, A.J. Brown oder Davante Adams. Da waren einige Trades und Verträge dabei, die eine neue Dimension eröffnet haben. Dass Quarterbacks in der immer passlastigeren Liga hoch bezahlt werden, das wussten wir alle schon. Die Receiver hingen da etwas weit hinterher. In diesem Jahr haben sie aber mehr Augenmerk bekommen und Tyreek Hill in Miami oder A. J. Brown in Philadelphia können interessante Kombinationen werden. Oder auch Davante Adams, der in Las Vegas mit seinem College-Body (Derek Carr, d. Red.) wieder vereint ist. Aber auch insgesamt betrachtet ist der Wide-Receiver-Markt ganz schön in Bewegung gewesen.

 

TOUCHDOWN24: Gibt es denn Spieler, blicken wir auf die bevorstehende Saison, auf die Sie sich besonders freuen oder die Sie besonders im Fokus haben?

 

Motzkus: Da bleibe ich bei den genannten Wide Receivern. Ich finde sehr interessant, wie die Top-Receiver in den neuen Teams ankommen werden. Tyreek Hill zum Beispiel, der in Miami ein völlig neues Umfeld hat und in Tua Tagovailoa einen Linkshänder als Quarterback. Das hat allein schon Auswirkungen auf den Drall des Balles, worauf man sich umstellen muss. Darüber hinaus schaue ich mir immer gerne Tight Ends an. Einen Zach Ertz, der seit Jahr und Tag seine Leistung bringt, oder einen Travis Kelce, der immer performt, egal wo man ihn hinstellt. Die Tight Ends sind so ein wenig meine Unsung Heroes. Leider hat Rob Gronkowski aufgehört, den ich gerne gesehen habe, weil er seine Körperlichkeit immer eingebracht hat. Tight Ends kreieren einfach immer geniale Matchups, sind meist größer als Linebacker und natürlich wuchtiger als Defensive Backs. So ein Typ wie Gronkowski marschiert eben auch mal über einen Cornerback drüber und das sind tolle Szenen, die man dann sehen kann und die die Faszination des Sports ausmachen. 

 

TOUCHDOWN24: Apropos Tight Ends: Bei TOUCHDOWN24 hatten wir zuletzt online einen Blick auf T. J. Hockenson von den Detroit Lions geworfen, der ein Geheimtipp für den Breakout unsererseits ist... 

 

Motzkus: Hockenson ist auch ein super Spieler, sein Problem ist nur, dass er Jared Goff als Quarterback hat. Aber er hat natürlich auch schon seinen Impact. In Detroit bin ich besonders auf Amon-Ra St. Brown gespannt, der zum Ende der Saison tierisch aufgedreht hat. Nach der Saison wurde er unter den Top-Rookies auf der Receiver-Position genannt, was mich extrem gefreut hat, da ich ihn auch persönlich kennengelernt habe. Ich wünsche ihm einfach alles Gute und kann mir vorstellen, dass er vielleicht sogar so eine Waffe wird, ähnlich wie Deebo Samuel bei den 49ers. Einer, der fangen aber auch laufen kann. Wenn der neue Offensive Coordinator (Ben Johnson, d. Red.) jetzt noch tolle Ideen hat, bin ich insbesondere auf das Duo aus St. Brown und Hockenson gespannt.

 

TOUCHDOWN24: Schauen wir auf den Titelverteidiger. Die Los Angeles Rams haben mit einer neuen Philosophie im Rosterbau den Super Bowl gewonnen. Können sie das Level halten?

 

Motzkus: Die Rams haben auf jeden Fall vieles richtig gemacht. Sie haben auf Picks verzichtet und gestandene Spieler geholt, bei denen man weiß, was man bekommt – wenn man sie richtig motiviert. Der Weg der Rams war halt ein ganz anderer als der anderer Teams, die sich über Jahre hinweg über den Draft versuchen aufzubauen. Dort weiß man aber nicht immer genau, was man bekommt. Wie entwickelt sich ein junger Spieler, erfüllt er die Erwartungen? Es gibt ja nicht umsonst noch und nöcher hohe Draft-Busts. Aus meiner Sicht haben sie in der Offseason auch nicht so viele starke Abgänge gehabt – OBJ (Odell Beckham Jr., d. Red) oder Von Miller vielleicht, aber sie haben ja auch immer wieder gezeigt, dass sie sich während der Saison noch verstärken können. Und da muss ich auch sagen, die Trades, die sie gemacht haben, waren auch sehr geschickt. Sie haben sich von anderen Teams die Gehälter mitbezahlen lassen oder Jungs mit relativ kleinen Verträgen übernommen. Der Cap ist natürlich ausgelastet, aber dafür haben sie auch Spieler wie Aaron Donald oder Jalen Ramsey. In der NFC West muss man auf jeden Fall wieder mit den Rams rechnen.

 

TOUCHDOWN24: Überraschend standen die Cincinnati Bengals im letzten Super Bowl. War die Leistung ein Ausreißer nach oben oder sind die Bengals auch kommende Saison ein Titelkandidat?

 

Motzkus: Die Offense ist ein ziemlich starkes Power House mit Joe Burrow, Ja`Marr Chase oder auch Joe Mixon. Hinzu kommt, dass das auch alles Jungs sind, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, Mixon mal ausgeklammert. In der Offseason haben sie zudem die Offensive Line verstärkt, wodurch die Offense nicht schlechter werden wird. Aber sie werden viel mehr auf dem Radar sein, werden intensiver beobachtet und von den Gegnern viel mehr ernst genommen. Die Defense hat letzte Saison etwas überrascht, hat auch im Super Bowl lange Zeit gut mitgehalten, auch wenn das ein oder andere Big Play insbesondere im Super Bowl gefehlt hat. Die Bengals haben insgesamt viel richtig gemacht, ihr Team in Ruhe aufgebaut. Wenn sie es schaffen, Burrow besser zu beschützen, dann ist die Offense auf jeden Fall gefährlich. Wenn die Defense dann noch über sich hinauswächst, dann kann das durchaus wieder einen weiten Lauf in den Playoffs geben.

 

 

TOUCHDOWN24: Was sind darüber hinaus Ihre Favoriten?

 

Motzkus: Mein persönlicher Favorit sind seit 30 Jahren die 49ers. (lacht)

 

TOUCHDOWN24: Dann lassen Sie uns über die 49ers sprechen...

 

Motzkus: Da muss man erstmal sehen, was auf der Quarterback-Position passiert. Die NFC West ist weiterhin unheimlich stark, auch wenn Seattle vielleicht etwas abfällt. Die 49ers sind die letzten Jahre immer mit gehandelt worden, hatten aber häufig großes Verletzungspech. Wenn sie weitestgehend ohne Verletzungen durch die Saison kommen, kann das auch wieder etwas Großes werden. Und wer die Packers in den Playoffs schlägt, kann auch selbst wieder weit in den Playoffs kommen. Aber ganz klar ist, dass man erstmal die Quarterback-Situation zwischen Jimmy Garoppolo und Trey Lance abwarten muss. Spielt Garoppolo? Oder lassen sie ihn auf der Bank sitzen? Aber das kann man für gut 25 Millionen Dollar Gehalt (26,95 Millionen US-Dollar Cap Hit, d. Red.) eigentlich nicht machen. Werden sie ihn dann traden oder noch cutten? Dann reiben sich einige Teams die Hände, um einen Quarterback-Starter zu bekommen. 

 

TOUCHDOWN24: Klingt auf jeden Fall spannend. Nochmal zur Ursprungsfrage: Welche Teams sind noch unter ihren Favoriten?

 

Motzkus: Spannend ist die AFC East mit den Miami Dolphins und den sehr starken Buffalo Bills. Wie weit da die New England Patriots mit Mac Jones kommen und wie gut ist deren Defense, das muss man sehen. Tampa Bay ist natürlich auch im Favoritenkreis dabei.

 

TOUCHDOWN24: Wer könnte als Außenseiter überraschen, den man jetzt noch nicht so auf dem Zettel hat?

 

Motzkus: Da gibt es auch einige Sleeper, wo man noch nicht so weiß, was da mit neuem Personal alles möglich ist. Vielleicht die New Orleans Saints, die vielleicht wiedererstarken. Sie haben eine sehr gute Defense, besonders gegen den Lauf. Aber wenn 14 von 32 Mannschaften in die Playoffs kommen, dann können fast 50 Prozent hoffen. Und in einem Playoffspiel kann eben alles passieren. Es gibt da einige Mannschaften mit Potenzial, die bei den Experten noch nicht so auf dem Zettel sind.

 

TOUCHDOWN24: Auf dem Zettel steht hingegen das erste reguläre Ligaspiel auf deutschem Boden. Am 13. November treffen die Tampa Bay Buccaneers und die Seattle Seahawks in München aufeinander. Was bedeutet dieses Ereignis noch einmal für den deutschen Markt?


Motzkus: Den Großteil der Football-Fans in Deutschland, auch die, die nur ab und zu mal schauen, haben wir ja schon erreicht. Wenn man sieht, dass wir bei den Übertragungen regelmäßig 500.000 Zuschauer dabei haben, in den Playoffs eine Million und den Super Bowl zwei Millionen schauen, dann erkennt man, dass die Fans zwar immer mehr werden, aber auch irgendwo ein Limit erreicht ist. Natürlich aber wird man medial durch das Spiel in München den Sport noch einmal ganz anders vermarkten können. Es wird mehr Berichterstattung drumherum geben, viel mehr Medien werden aufspringen. Das Spiel in München ist ja quasi der German Super Bowl. Entsprechend wird der normale Sportfan noch mehr abgeholt werden, weil viel mehr in den Zeitungen stehen wird. Ich denke, das zum Beispiel auch die Öffentlich Rechtlichen viel mehr berichten werden. Ich bin sicher, dass einiges passieren wird und die Akzeptanz von Football in Deutschland noch größer wird.

Über den/die Autor/in
Dirk Kaiser
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