Titel-Trainer ohne Award: Chris Calaycay von den Vienna Vikings- Foto: IMAGO / GEPA pictures

Die Vienna Vikings haben das Championship Game der European League of Football gewonnen. Das damit sportlich bestätigt beste Team der zweiten ELF-Saison ging bei den Awards allerdings leer aus. Gleiches gilt für Glen Toonga, den überragenden Runningback der Saison. Die Award-Vergabe der ELF wirkte in vielen Punkten unglücklich.

 

Der neue Champion der ELF, die Vienna Vikings, wurde bei der Vergabe der Liga-Awards geflissentlich übersehen. Gleich drei Awards wanderten derweil an die Tirol Raiders, die im Halbfinale ausgeschieden waren und nur knapp aufgrund des hauchdünn gewonnen direkten Vergleichs gegen die Frankfurt Galaxy überhaupt erst in die Playoffs eingezogen waren. Natürlich gibt ein Blick in die individuellen Statistiken im Spieler-Bereich den ELF-Verantwortlichen recht: Die Vikings überzeugten im Kollektiv, kaum ein Einzelspieler war in den verschiedenen Statistiken ganz oben in den Rankings zu finden. Mit verantwortlich war dafür auch eine Verletztenmisere, die vielen herausragenden Skillspielern eine statistisch starke Saison kostete.

Der Fall Chris Calaycay

Umso mehr wäre es mehr als legitim gewesen, wenn Chris Calaycay, der Head Coach der Vikings, Coach of the Year geworden wäre. Stattdessen erhielt Andrew Weidinger, Head Coach der Barcelona Dragons, die Auszeichnung. Für Weidinger sprach, dass er aus einem nur mäßig konkurrenzfähigen Team der ersten ELF-Saison einen Playoff-Teilnehmer und Titel-Anwärter geformt hatte. Daher ist die Wahl von Weidinger auch nicht falsch, im Gesamtkontext allerdings unglücklich, denn Weidinger wurde auch in den direkten Duellen gegen die Vikings in der Regular Season zweimal von Calaycay ausgecoacht. Zweimal lag Barcelona zur Pause vorne, beide Male drehten die Vikings das Spiel. Mit Blick auf das Gesamtbild der Awards hätte der Coach of the Year zwingend daher an Calaycay gehen müssen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass zu wenig Politik im Fall Calaycay im Spiel war.

Der Fall Glen Toonga

Toonga war mit 1468 Rushing Yards für 21 Touchdowns der überragende Runningback der Liga. Ohne Toonga wäre es den Hamburg Sea Devils mit ihrer im Passspiel limierten Offense mutmaßlich nicht möglich gewesen, bis ins Championship Game vorzudringen. Natürlich ist ein Runningback maßgeblich auch von der Offensive Line seines Teams abhängig, ein Umstand unter dem auch die besten Ballträger der NFL zu leiden haben und fortan für ihre Reputation kämpfen müssen. Doch das galt auch für Madre London, der zugegebenerweise noch herausragendere Werte 2021 hatte. Wollte die ELF nicht erneut einen Runningback zum MVP küren? Wollte die Liga für ihre eigene Außenwirkung lieber einen Quarterback, der die Existenz einer Passing League symbolisiert? Wie bei Weidinger kann die Wahl für Sean Shelton nicht grundsätzlich als falsch interpretiert werden, spielte der US-Amerikaner doch eine Top-Saison. Trotzdem stand womöglich vor allem ein strategischer Gedanke dahinter.

Für Toonga hätte sich noch die Ausweichchance des Offensive Players of the Year geboten. Diesen Award räumte allerding Kyle Sweet ab. Der Wide Receiver der Dragons hat die Auszeichnung im Vakuum betrachtet nicht zu Unrecht erhalten, war er doch mit 1561 Receiving Yards für 17 Touchdowns bester Passempfänger der ELF – wenngleich nicht mit so einem großen Abstand vor dem zweitplatzierten Nathaniel Robitaille (Rhein Fire) wie Toonga ihn vor Joc Crawford von Berlin Thunder hatte. Mit der Wahl auf Sweet wurde nach Weidinger aber zum zweiten Mal das Passspiel der Dragons belohnt, ein Umstand, der Berücksichtigung hätte finden müssen. Stattdessen wurde erneut das Passspiel belohnt. Vielleicht erhofften sich die ELF-Entscheider einen Sieg der Sea Devils im Championship Game. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre im Siegfall Toonga der Hamburger Kandidat für den Final-MVP geworden.

Durch den Sieg der Vikings blieb immerhin diese Auszeichnung in Österreich. Wide Receiver Kimi Linnainmaa erhielt die Ehre, wohl auch, weil Quarterback Jackson Erdmann seinem in Gänze guten Spiel eine haarsträubende Interception hinzugefügt hatte. Nach dem Sieg über die Sea Devils wird den Vikings die Award-Vergabe herzlich egal gewesen sein, weil es eben Titel gibt, die fernab von zu viel oder zu wenig Politik und Strategie glücklicherweise auf dem Platz vergeben werden. Bei der Vergabe der Titel, die eben nicht auf dem Feld vergeben werden, wäre mehr Blick auf das Gesamtbild für 2023 aber schön.

Die ELF-Awards 2022

  • Championship Game MVP: Kimi Linnainmaa (Wide Receiver, Vienna Vikings)
  • MVP: Sean Shelton (Quarterback, Tirol Raiders)
  • Offensive Player of the Year: Kyle Sweet (Wide Receiver, Barcelona Dragons)
  • Defensive Player of the Year: Kyle Kitchens (Defensive End, Berlin Thunder)
  • Special Teams Player of the Year: Eric Schlomm (Kicker/Punter, Hamburg Sea Devils)
  • Rookie of the Year: Marco Schneider (Wide Receiver, Tirol Raiders)
  • Offensive Rookie of the Year: Anton Jallai (Wide Receiver, Leipzig Kings)
  • Defensive Rookie of the Year: Atilla Isik (Cornerback, Istanbul Rams)
  • Coach of the Year: Andrew Weidinger (Head Coach, Barcelona Dragons)
  • Assistant Coach of the Year: Kyle Callahan (Offensive Coordinator, Tirol Raiders)
  • Man of the Year: Dennis Kenzler (Offensive Lineman, Hamburg Sea Devils)
Über den/die Autor/in
Dirk Kaiser
Dirk Kaiser

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