Vom Starting Quarterback zur zweiten Wahl, zum Abstellgleis, zu einem 9-2 Super Bowl Contender. Hinter Daniel Jones liegen ein paar ereignisreiche Wochen. Der ehemalige Hoffnungsträger der New Yorks Giants hat nun einen neuen Verein gefunden. Ob er den Vikings wirklich weiterhelfen kann?
Wieso Daniel Jones in den letzten Tagen auf einmal zum begehrtesten Junggesellen der NFL geworden ist, ist ein Mysterium für sich. Viele Contender waren im Gespräch um den geschassten Quarterback der New York Giants, darunter die Lions, Vikings und Ravens. Mittwochabend verkündet dann übereinstimmend die amerikanische Sportpresse, dass Jones einen Einjahresvertrag in Minnesota unterschrieben hat. Dort wird er hinter dem diese Saison neu aufgeblühten Sam Darnold in dessen Vertreterrolle schlüpfen. Als Zuschauer fragt man sich allerdings: Haben die Vikings sich die letzten sechs Jahre von Daniel Jones Leistungen bei den Giants angesehen? Große Hoffnung, auf einmal Wunderdinge von Jones zu erwarten, sollten sich das Team aus Minnesota nicht machen.
Als Daniel Jones im Draft von 2019 an sechster Stelle von den Giants ausgewählt wird, sorgt bereits diese Entscheidung vielerorts für erhobene Augenbrauen. Von Experten wurde Jones nicht so früh im Draft erwartet. Die Giants brauchten dringend einen neuen Quarterback: An Vereinslegende Eli Manning nagte langsam, aber sicher der Zahn der Zeit, eine Ablösung wurde gesucht. Ab der dritten Woche, in der Jones als Starter bestimmt wurde, folgte eine gute Rookie Saison, in der er echtes Potenzial zeigte. Zwar war die Bilanz von Jones mit 3-9 äußert dürftig, das Talent des Rookie Quarterbacks blitzte aber immer wieder sowohl im Rushing als auch Passing Game auf.
Das Problem: Wirklich weiterentwickeln würde sich Jones in den nächsten Jahren nicht. Gemessen an Touchdown Würfen in etwa war seine Rookie Saison die mit Abstand beste. Insgesamt steht bei Jones‘ sechs Jahren als Starter nur eine Saison mit positiver Bilanz und anschließenden Playoffs zu Buche. In der Wild Card Round 2022 gegen – ausgerechnet – die Vikings, zeigte Jones dann aber eine herausragende Leistung und wurde der erste Spieler, der in einem Playoff Spiel über 300 Yards warf, 75 Yards erlief und zwei Touchdowns erzielte. Es war zudem das erste Playoff Spiel seit 2011, dass die Giants gewinnen konnten. Obwohl New York in der nächsten Runde deutlich mit 38-7 gegen die Philadelphia Eagles verlor, hatte sich Jones mit diesem einen Spiel einen gewaltigen Vertrauensbonus erspielt. Im März 2023 statteten die Giants Jones mit einem mit 160 Millionen Dollar dotierten Vierjahresvertrag aus. In der folgenden Saison hatte Jones mit Verletzungsproblemen zu kämpfen und beendete die Saison mit einem Kreuzbandriss und einer 1-5 Bilanz.
Als Jones diese Saison von seiner Verletzung zurückkehrte, waren die Erwartungen der Giants Fans schon stark heruntergeschraubt. Keiner erwartete Wundertaten von den Giants in dieser Saison, die Zeichen standen auf Umbruch und das Erlangen eines hohen Draftpicks. Zumindest wurde Jones mit Malik Nabers ein echter WR 1 an die Seite gestellt, und die Offensive Line der Giants galt als verbessert. Was bisher diese Saison folgte, war auch für die viele Pessimisten enttäuschend: Wenn überhaupt möglich, spielten die Giants und auch Jones sogar noch schlechter als prognostiziert. Nach Woche 10 hatte das Front Office der Giants schließlich genug und setzte Jones auf die Bank. Tommy DeVito sollte in Zukunft die Rolle des Starting Quarterbacks übernehmen. Wenig später verkündete Trainer Brian Daboll, dass Jones nicht nur auf die Bank, sondern als Nummer Drei hinter Drew Lock komplett aus dem aktiven Kader der Giants verbannt wurde.
Einige Spieler äußerten ihre Unterstützung für Jones, darunter sein ehemaliger Teamkamerad Saquon Barkley und Malik Nabers, der sowohl Jones als auch DeVito in Schutz nahm und stattdessen das Spielsystem der Giants öffentlich als „soft as sh*t“ bezeichnete. Medienberichten zufolge sollen außerdem mehrere Spieler der Giants Unmut verlautet haben, da die Entscheidung, Jones zu entlassen, vor allem finanzieller Natur war. Die Saison ist verloren, daran ändert auch ein Quarterbackwechsel nichts mehr. Aus Jones Vertrag herauszukommen, schien für das Front Office der Giants Priorität vor dem respektvollen Umgang mit ihrem jahrelangen Quarterback zu haben.
Schließlich bat Jones um seine Entlassung, die Giants kamen seinem Wunsch nach. Die Gerüchteküche brodelte einige Tage, auf einmal waren angeblich echte Super Bowl Anwärter hinter Jones her, die Lions und Ravens galten als heiße Kandidaten. Schlussendlich landet Jones nun in Minnesota, wo mit Sam Darnold ein Quarterback spielt, dessen Vita der von Jones nicht unähnlich ist. Bei den Vikings erhielt Darnold nach der Verletzung von Rookie JJ McCarthy unerwartet die Chance, sich nach seinen wenig rühmlichen Jahren bei den Jets, Panthers und 49ers erneut als Starter zu beweisen. Bisher überzeugt er mit sehr guten Leistungen und ist der Hauptgrund für die überraschend gute 9-2 Bilanz der Vikings. In den letzten Spielen schlichen sich ein paar Fehler in Darnolds Spiel ein, die nächsten Wochen mit vielen Divisional Games werden zeigen, wie gefestigt seine Leistungen sind.
Ob das allein der Grund ist, wieso die Vikings Jones verpflichteten, lässt sich nur vermuten. Vikings Coach Kevin O’Connell hob in der Pressekonferenz nach dem Wechsel zunächst vor allem die guten Leistungen von Darnold hervor. Über Jones lässt er verlauten, dass er ein erstklassiger Teamkamerad und Mensch sei, und dass er sich auf die Arbeit mit ihm freuen würde. Klingt erstmal so, als ob Jones vor allem Darnold unterstützen und mit Rat und Tat zur Seite stehen soll. Sollten sich die Vikings in der halsbrecherischen NFC North schon vorzeitig für die Playoffs qualifizieren, oder die Vikings lernen, Spiele nicht erst auf den allerletzten Drücker zu gewinnen, könnte er außerdem für Entlastung sorgen. Zusätzlich bleibt bei Darnold trotz der guten Saison auch immer noch das Risiko, dass er im Ernstfall in alte Muster zurückfällt – ob Daniel Jones dann allerdings die Lösung sein kann, ist zu bezweifeln.