Die NFL wird künftig bei RTL im deutschen Free-TV zu sehen sein. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Kirby Lee

RTL gab vor kurzem die ersten Namen seines Kommentatoren-Teams für die anstehende NFL-Saison bekannt, als Reaktion folgte so ziemlich die gesamte Bandbreite zwischen Jubel bis hin zu Entsetzen. Es verdeutlicht nicht nur, wie emotional die deutsche Football-Community mit dem Sport verbunden ist, sondern auch den generellen Stellenwert von Entertainment im sportlichen Alltag!

Veränderungen sind Teil des Lebens. Jeden Tag, jede Nacht, manchmal jede Minute verändern sich Dinge, oft ohne das Zutun von Menschen und entgegen allem Bestreben, sie doch in bekannter Weise festzuhalten. Manchmal ist man sich gar nicht bewusst, warum das Vergehende einen eigentlich berührt, genoss es zuvor doch eher geringere Aufmerksamkeit im eigenen Alltag. Dann gibt es natürlich wiederum die Entwicklungen, welche ganz besonders im eigenen Gemüt verfangen, weil sie unumstößlich empfundene und geliebte Tatsachen betreffen. Wie auch immer es sich im Einzelfall verhält, unter dem Strich steht geschrieben, dass Veränderung – in welcher Weise auch immer – etwas mit menschlichen Emotionen macht. Sie kitzelt, sie gefährdet, sie aber vor allem entfacht.

Große Aufregung um RTL-NFL-Kommentatoren

Dementsprechend verständlich ist die jüngste und eigentlich schon Monate andauernde Diskussion über den Wechsel in der deutschen NFL-Free-TV-Landschaft. Diesem blumigen, leicht versteckten Tal, in dem eine eher als Randnotiz gestartete Truppe im Stile eines bekannten gallischen Dorfes sich der schier übermächtigen Versuchung anderer Formate namens Tatort und Co. widersetzte und aus besagter Ansiedlung ein prunkvolles Städtchen sonntäglicher Abendunterhaltung machte. Da auch ProSieben nun kein Sender ist, der von irgendwem in Omas dunklem Kellerkabuff on Air geschickt wird, passt das Underdog-Leibchen vielleicht nur bedingt. Was Ran NFL allerdings aus dem Football-Fernsehen hierzulande in den letzten Jahren gemacht hat ist schlichtweg eine Art kleines Märchen. Eine zweifellos fulminante Erfolgsgeschichte.

Diese bekam nun mit der Übernahme der deutschen NFL-Rechte durch RTL einen signifikanten Knick, vieles wurde darüber schon gesagt, vieles darüber geschrieben und nochmal mehr Emojis in die Welt des Internets dazu hinausgeschossen. So geschehen auch in der vergangenen Woche als RTL die ersten vier Namen seines Moderatorenteams bekannt gab: Sebastian Vollmer, Markus Kuhn, Jan Stecker und Alex von Kuczkowski sind die Glücklichen, die demnächst auch gleich mal für den bekannten Fernsehsender live vom NFL Draft berichten können. Die Übertragung dieser Events steht als Symbol für die gestiegene Bedeutung der NFL hierzulande. Ob man die RTL-Crew dabei auch wirklich akustisch und inhaltlich verstehen kann oder will, dürfte unter Umständen bezweifelt werden, bedenkt man schon den jüngsten Aufschrei ob besagter Personalien.

Es ist schwer, den Geschmack der NFL-Community zu treffen

Jener hat in seinem Kern viele und vor allem unterschiedlichste Gründe. Von der Liebe zu Ran bis hin zur fundamentalen Abneigung gegen jegliches aus dem Hause RTL ist so ziemlich alles dabei. Den oder die eine stören die Alt-Herren-Witze von Jan Stecker, dann sind die bisher bekanntgegebenen Spieler nicht unterhaltsam genug oder aber es fehlt einigen an der gewissen Dosis weiblicher Intuition, was nicht nur an dem Fehlen von Ickes wehender Mähne liegen dürfte. Alle diese Punkte, man mag sie im Einzelnen verstehen oder nicht, haben auf jeden Fall ihre Daseinsberechtigung, denn sie sind Ausdruck persönlicher Vorlieben und subjektiver Wahrnehmung. Es sind Meinungen, die, wenn auch nicht immer entscheidend für das große Ganze, in sich wertvoll sind. Allein schon in der Möglichkeit, sie zu äußern.

Es sind gleichermaßen aber auch zum größten Teil Kritikpunkte, die es vorher schon bei Ran gab. Auch da war es nachvollziehbar, dass manchen eine Lineup aus altgedienten Seifenoperschauspielern oder Wok-WM-Teilnehmern trotz aller Football-Affinität nicht wirklich anspricht oder dass einigen die berühmte „Bromance“ irgendwann nicht mehr so brüderlich erschien. Geschmäcker sind schließlich verschieden und wandeln sich auch mit der Zeit. Hin und wieder mangelte es auch an simplem Handwerk, wenn Spielernamen unbekannt waren, Spielzüge gar nicht oder falsch wahrgenommen wurden und man schlicht den Eindruck hatte, dass es sich beim eigentlichen Spiel nur um eine Nebensache handelte, auf die man sich lediglich fünf Minuten in der Woche zuvor vorbereitet hatte. Den Mehrwert, den sich viele von einem fundierten und informativen Kommentar eines auf einander eingespielten Duos erhoffen, fiel damit zeitweise unter den Tisch. Die Betonung liegt hier auf zeitweise und beruht auch in diesem Fall auf rein subjektiver wie lückenhafter Wahrnehmung.

Der historische Erfolg der NFL bei Ran

Die große Schwierigkeit, der sich früher Ran gegenübersah und welche künftig RTL erwartet ist der unabdingbare Spagat hierzulande zwischen der Gewinnung neuer Football-Fans sowie der gleichzeitigen Interaktion mit einer zunehmend hochsensiblen und bestens unterrichteten Vollblut-Fan-Gemeinde. Diese kann zusehends das Lieblingsessen eines jeden Practice-Squad-Players runterbeten und komplette Spielzüge am beschlagenen Badezimmerspiegel aufmalen, was Erstgenannte dann wohl doch eher zum Genuss des nächsten Biathlon-Meetings oder einem guten Buch nötigen würde. Dieser Balanceakt ist in sich extrem schwierig – eigentlich sogar fast unmöglich - und wurde von Ran sehr lange sehr gut bewältigt. Sie handelten dabei nach einem alten Motto vom großen Zeichentrickvirtuosen Walt Disney, der einmal sagte: "Ich würde die Leute lieber unterhalten und hoffen, dass sie dabei etwas lernen, als sie zu unterrichten und zu glauben, dass sie sich dabei unterhalten fühlen."

Entertainment ist von unabdingbarer Wichtigkeit im TV-Geschäft, in der heutigen Zeit der sozialen Medien und der grenzenlosen Reizüberflutung erst recht. Dies gilt im Speziellen auch für Football-Fernsehen hier in Deutschland, vielleicht sogar mehr als in anderen Bereichen. Man möchte schlichtweg ein gesamtes Lebensgefühl verkaufen mitsamt abendlichem Watching-Event, der damit verbundenen Kulinarik und einem ausgeprägten Community-Gefühl. In gewisser Weise hat Ran dies nicht nur verstanden, sondern auch nachhaltig persönlich und nah am Zeitgeist geprägt. Das zieht allerdings zwangsläufig nach sich, dass andere Dinge auf der Strecke bleiben und ist bei großen Brüdern auf der anderen Seite des Atlantiks mit drei oder vier Buchstaben im Namen auch nicht anders. Davon kann man sich, wenn man möchte, ja auch regelmäßig beim NFL Gamepass überzeugen, so man denn gewillt ist die nötige Gebühr dafür zu bezahlen.

RTL hofft auf Entertainment-Chance

Die Unterhaltung wird wohl auch bei RTL ganz oben auf der To-Do-Liste stehen und darauf werden mit Sicherheit auch weitere Personalentscheidungen abzielen. In den Fußstapfen von Harry Wijnfoord und Günther Jauch muss Quote gemacht werden, ebenso wie das vorher bei Ran der Fall war. Dabei ist es schlichtweg unmöglich, alle Wünsche und Geschmäcker in der Welt außerhalb der Senderzentrale zu befriedigen oder gar zu treffen. Eine Chance hat das neue Format dabei aber auf jeden Fall einmal verdient, ebenso wie es damit leben muss, wenn nach getaner Arbeit in schöner Tradition der heutigen Empörungsökonomie vernichtende Urteile gefällt werden. Rückgängig lässt sich die Veränderung nun eh nicht mehr machen, es bleibt nur damit zu leben und sie richtig für das große Ganze einzuordnen. Letztendlich wäre ein Erfolg an neuer Stelle dem Sport und damit allen Fans zuträglich. Am eigentlichen Genuss der Sportart selbst sollten jegliche Randschauplätze ohnehin eigentlich nichts ändern. Dafür hat das Spiel und der ewig wiederkehrende Sonntag viel zu viel Freude zu bieten, als dass man sich diese durch ewige Aufregung kaputt machen sollte.

Und diese Freude gilt es bei allen Veränderungen in dieser unserer Welt zu bewahren.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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