Wir bleiben im Norden, der auch in der NFC hart umkämpft ist. Auch hier gibt es durch die, für amerikanische Verhältnisse regionale Nähe einige der ältesten Rivalitäten, welche sich auch auf sportlicher Ebene immer wieder hochklassige Duelle lieferten. Die Dominanz der Packers hat auch mit Jordan Love nicht nachgelassen, die Lions haben zuletzt über Jahre hinweg so gut gearbeitet, dass sie vor drei Monaten nur knapp im NFC Championship Game den San Francisco 49ers unterlagen und Minnesota hatte mit Kirk Cousins einige gute Jahre, steht nun aber vor einer eher ungewissen Zukunft. Das Team mit den schwierigsten Jahren sind die Chicago Bears, die mit dem First Overall Pick aber natürlich die Geschichten des Drafts dominierten.
Chicago Bears
Picks: R1, Pick 1, Caleb Williams (QB, USC); R1, Pick 9, Rome Odunze (WR, Washington); R3, Pick 75, Kiran Amegadjie (OT, Yale); R4, Pick 122, Tory Taylor (P, Iowa); R5, Pick 144, Austin Booker (EDGE, Kansas)
Die Bears sind das Team der Stunde, begonnen den Draft an Eins und bestimmten daher bereits seit Wochen die Medien. Erst mit den Diskussionen um Justin Fields, die in Chicago fast zu sozialen Unruhen geführt hätten, dann der Trade für Keenan Allen. General Manager Ryan Poles hatte eine Menge zu tun. Dagegen lief der Draft selbst für ihn vermutlich direkt ruhig ab. Dass er mit Caleb Williams den designierten Franchise Quarterback der nächsten Jahre auswählte, war für ihn wahrscheinlich bereits seit Wochen klar. Williams ist das größte Quarterback-Talent seit Trevor Lawrence, sein Spielstil erinnert an Patrick Mahomes und Aaron Rodgers, er bringt Athletik, einen enorm starken und präzisen Wurf und vor allem auch die Fähigkeit der beiden genannten, auch aus einem scheinbar ruinierten Play noch etwas besonderes zu zaubern. All das hat ihm die Heisman Trophäe 2022 eingebracht. Er polarisiert auch abseits des Feldes mit seiner Art, seinem Charisma und seiner Gewinner-Mentalität, alles Eigenschaften die sowohl von ehemaligen Mitspielern als auch USC Coach Lincoln Riley mehrfach bestätigt wurden. Als wäre das noch nicht genug findet er in Chicago eine Situation vor, die für einen First-Overall Pick gänzlich untypisch ist. Normalerweise sind diese Teams ziemlich am Boden, nicht ohne Grund haben sie vorher die meisten Spiele verloren. Die Bears profitieren hier aber weiter von ihrem Trade mit den Panthers, haben zuletzt in die Offensive Line investiert und in der zweiten Saisonhälfte nach dem Trade für Montez Sweat auch eine vernünftige Defensive auf das Feld gestellt. Und vor allem konnten sie mit Pick Neun auch noch Rome Odunze draften der damit das vielleicht beste Receiver-Trio der Liga mit DJ Moore und Keenan Allen komplettiert. Viel war über diesen Pick diskutiert worden, letztlich ließ Poles aber keine Zweifel daran, dass Odunze sein absoluter Wunschspieler war. Niemand war besser darin Bälle im direkten Duell gegen Verteidiger zu fangen, die oft als 50-50 Balls bezeichneten Würfe wurden bei ihm eher zu 70-30 Gelegenheiten. In vielen Jahrgängen wäre er wohl der beste Receiver gewesen, neben dem Supertalent Marvin Harrison und dem athletischen Freak Malik Nabers war er teilweise fast schon untergegangen. Das könnte ihm in der Bears Offensive neben den vielen anderen Anspielstationen anfänglich auch passieren, langfristig ist der Plan ihn als Nachfolger von Allen zu etablieren und ihn bis dahin vom erfahrenen Veteranen lernen zu lassen. Der Draft ging positiv weiter, Kiran Amegadjie ist nicht nur flexibel einsetzbar, sondern auch bereits seit seiner Kindheit ein Bears Fan. Noch vor einem Jahr traf er GM Poles mit seinem Vater beim Golfen und versprach ein Bear zu werden, nun schließt sich für ihn der Kreis. Dass Chicago einen Viertrundenpick für einen Punter investiert wirkt auf den ersten Blick etwas schräg, allerdings handelt es sich dabei um den vielleicht besten College Punter der letzten Jahre Tory Taylor. Die Iowa Offensive hatte daran sicherlich ihren Anteil, lieferte aber dennoch insgesamt weniger Yards als Taylor punten konnte/musste, es gab Spiele in denen Beobachter ihn als den MVP der Hawkeyes bezeichneten. Und da Feldposition eine der Schlüsselelemente im Football ist könnte er durchaus seinen Einfluss nehmen, auch wenn Caleb Williams ihm bereits per Message „Hier wirst du nicht viel punten müssen“ geschickt hat. Hier hätte der Draft für die Bears aufgrund vergangener Trades bereits enden können, sie investierten aber noch einen 2025er Pick um sich die Rechte an Austin Booker zu sichern. Hiermit bedienten sie (endlich) eine absolute Schwachstelle, da sich der Pass Rush zuletzt zu stark auf Montez Sweat verlassen musste. Booker wird also zumindest die Chance bekommen seine Athletik recht früh auch unter Beweis stellen zu können.
Detroit Lions
Picks: R1, Pick 24, Terrion Arnold (CB, Alabama); R2, Pick 61, Ennis Rakestraw Jr. (CB, Missouri); R4, Pick 126, Giovanni Manu (OT, University of British Columbia); R4, Pick 132, Sione Vaki (RB, Utah); R6, Pick 189, Mekhi Wingo (DT, LSU); R6, Pick 210, Christian Mahogany (G, Boston College)
Im Allgemeinen ist es keine gute Idee, im Draft für andere Spieler als Quarterbacks zu traden. Die Ungewissheit der Spielerbewertung übertrumpft in der Regel alles, was ein Front Office über ein bestimmtes Talent denkt, und zahlt sich rückblickend selten aus. Wenn Spieler jedoch länger als allgemein erwartet, verfügbar sind, kann man hier durchaus Ausnahmen von dieser Regel machen. Ein gutes Gespür für genau solche Situationen hat das aktuelle Lions-Regime zu einem der besten der Liga gemacht. Terrion Arnold war im Vorfeld als der beste Cornerback gesehen worden, hätte man Detroit vorab gefragt, was sie bereit wären für ihn zu zahlen, hätten sie wohl nicht damit gerechnet nur einen Drittrundenpick investieren zu müssen um ihn an 24 draften zu können. So kommt der junge Corner von Alabama direkt nach Detroit und passt perfekt in ihre Verteidigung. Dass sie hier absoluten Bedarf hatten belegt auch die Wahl von Ennis Rakestraw Jr. in der zweiten Runde. Die beiden können sofort nebeneinander spielen, sollte einer der beiden nicht wie erhofft einschlagen haben die Lions zumindest einen neuen Starter auf der wichtigen Position. Giovanni Manu ist einer der eher unbekannteren Spieler, in Runde 4 war er selten erwartet worden, aber er hat eine absurde Athletik und Größe. Dank ihrer Leistungsträger Taylor Decker und vor allem Penei Sewell haben die Lions auf Tackle ohnehin nur Bedarf an Bankspielern. Mekhi Wingo hat Potenzial als Defensiv Tackle, und Christian Mahogany in der sechsten Runde ist eine der größten Überraschungen im gesamten Draft. In den letzten drei Jahren ließ er insgesamt nur sieben Pressures zu und viele hatten ihn ursprünglich unter den besten Guards gesehen.
Green Bay Packers
Picks: R1, Pick 25, Jordan Morgan (OT, Arizona); R2, Pick 45, Edgerrin Cooper (LB, Texas A&M); R2, Pick 58, Javon Bullard (SAF, Georgia); R3, Pick 88, MarShawn Lloyd (RB, USC); R3, Pick 91, Ty’Ron Hopper (LB, Missouri); R4, Pick 111, Evan Williams (SAF, Oregon); R5, Pick 163, Jacob Monk (C, Duke); R5, Pick 169, Kitan Oladapo (SAF, Oregon State); R6, Pick 202, Travis Glover (OT, Georgia State); R7, Pick 245, Michael Pratt (QB, Tulane); R7, Pick 255, Kalen King (CB, Penn State)
Nachdem die Packers den nahtlosen Übergang von Aaron Rodgers zu Jordan Love vollzogen haben geht der Umbau des Kaders auch an anderen Positionen weiter. Legende David Bakhtiari wurde entlassen, da er zuletzt immer mehr mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte, auch der Rest der Offensiv Line konnte durchaus ein Upgrade vertragen, genau hier soll Erstrundenpick Jordan Morgan idealerweise direkt helfen. Ob auf Tackle wie bei Arizona ist noch unklar, Morgan hat eher kurze Arme weshalb ihn viele eher auf der Guard Position sehen, gemeinsam mit den im späteren Verlauf geholten Jacob Monk und Travis Glover bietet er den Packers auf jeden Fall mehr Flexibilität und Optionen an, mit denen sie in der Vorbereitung hoffentlich die Idealbesetzung finden werden. Receiver wurden in den letzten Jahren reichlich von Green Bay gedraftet (anders noch als in den Rodgers Jahren), in dieser Offseason wurde vor allem die Running Back Position adressiert. Nachdem bereits Josh Jacobs verpflichtet wurde, immerhin bester Rusher 2022, kam jetzt auch noch MarShawn Lloyd dazu, der Jacobs gerade im Laufspiel Verschnaufpausen verschaffen kann. Seine Schwachstelle ist bislang das Blocking, einerseits häufig bei Rookies, andererseits wird es ihn ziemlich sicher davon abhalten in wichtigen Situationen auf dem Feld zu stehen. Offensiv wurde ansonsten nur noch Michael Pratt als Backup Quarterback Option geholt, der restliche Draft stand ganz im Zeichen der Defensive. Der erste Linebacker der gedraftet wurde Edgerrin Cooper soll zukünftig neben Quay Walker starten und vor allem das Laufspiel verteidigen, hier lieferte er am College jede Menge Tackles. Cooper ist groß und athletisch, die Draft-Position Mitte der zweiten Runde ist vermutlich einerseits mit dem schwindenden Einfluss der Linebacker-Position im Allgemeinen und seiner ausbaufähigen Passverteidigung im speziellen begründet. Ein weiterer guter Pick für den neuen DC Jeff Hafley ist Javon Bullard, der Safety von Georgia. Seine Geschwindigkeit, sowohl physisch auf dem Feld als auch was sein seine Reaktionen betrifft wird aber definitiv einen Einfluss auf gegnerische Quarterbacks haben. Er passt damit ideal neben Xavier McKinney, wobei die Packers die Position mit Evan Williams und Kitan Oladapo noch zwei weitere Mal auswählten um auch garantiert Planungssicherheit zu schaffen. Wirft man Linebacker Ty’Ron Hopper noch mit rein wird deutlich, dass Hafley eine Menge vor hat und vor allem verschiedene Spielertypen für seine flexible Verteidigung gesucht hat, die unterschiedlichste Aufgaben übernehmen können. Der letzte Pick Kalen King ist noch bemerkenswert, da er vor der vergangenen Saison noch durchaus als Erstrundentalent gehandelt wurde. In 2023 hatte er aber große Probleme, böse Zungen behaupten, dass alleine sein Spiel gegen Marvin Harrison Jr. (11 Catches für 162 Yards und einen Touchdown) seinem Wert enorm geschadet hat. Schafft er es aber vielleicht doch das Niveau von 2022 zu zeigen könnte er eine positive Überraschung werden, das Investment-Risiko für die Packers war in der siebten Runde maximal gering.
Minnesota Vikings
Picks: R1, Pick 10, J.J. McCarthy (QB, Michigan); R1, Pick 17, Dallas Turner (EDGE, Alabama); R4, Pick 108, Khyree Jackson (CB, Oregon); R6, Pick 177, Walter Rouse (OT, Oklahoma); R6, Pick 203, Will Reichard (K, Alabama); R7, Pick 230, Michael Jurgens (C, Wake Forest); R7, Pick 232, Levi Drake Rodriguez (DT, Texas A&M-Commerce)
Nach dem Abgang von Kirk Cousins nach Atlanta war die Quarterback der Vikings viel diskutiert worden. Mit Justin Jefferson haben sie einen Top 3 Receiver im Team, die Offensive Line ist stabil und auch die Verteidigung hat unter Brian Flores enorme Schritte nach vorne gemacht. Die Erwartungen sind also groß, ein Blockbuster Trade für einen Top QB war durchaus ein Thema für General Manager Kwesi Adofo-Mensah. Letztlich schien er aber wohl gar nicht notwendig, auch wenn man noch einen Spot nach vorne ging konnte man an Position 10 mit J.J. McCarthy den vermeintlichen Wunschkandidaten auch ohne großen Trade ergattern. McCarthy hat nach seinem Sieg im National Championship Game viel Aufmerksamkeit bekommen, sowohl durch Lobeshymnen seines ehemaligen Coaches Jim Harbaugh, als auch aufgrund eines vielbeachteten Pro Days. Ob er die Vorschusslorbeeren rechtfertigen kann wird sich zeigen, am College war seine Leistung gut, wenn es nötig war, aufgrund des starken Fokus auf das Laufspiel und eine absolut dominante Verteidigung wurde Michigan aber wohl eher mit McCarthy Meister, als wegen McCarthy. Auch den zweiten Erstrundenpick wechselte man nochmal weiter nach vorn, um Pass Rush Spezialist Dallas Turner zum Nachfolger von Danielle Hunter zu machen. Cheftrainer Kevin O’Connell war quasi sprachlos, dass die Vikings Turner bekommen konnten, nicht wenige Experten hatten ihn als bestes defensives Talent betrachtet, Mitte der ersten Runde sicherlich eine kleine Überraschung. Minnesota zeichnet hier quasi die Vorlage der Houston Texans aus dem vergangenen Jahr nach, die mit C.J. Stroud und Will Anderson auch diese Positionsgruppen in der ersten Runde auswählten, die Fußstapfen der beiden Rookies des Jahres werden aber schwer zu füllen sein für die jungen Vikings. Tag zwei ließ Minnesota aufgrund der Trades komplett aus, in Runde 4 konnte mit Khyree Jackson noch ein sehr talentierter Cornerback gedraftet werden. In Vorgesprächen hatte er sich Minnesota gar als bester Corner des Jahrgangs vorgestellt, mit dieser Einschätzung dürfte er etwas alleine sein, sie zeugt aber von einem – für einen Corner notwendigen – gesunden Selbstbewusstsein. Jackson ist schon fast 25, verbrachte 2 Jahre am JUCO, zeigte aber zuletzt bei Oregon exzellente Leistungen und erlaubte nur einen einzigen Touchdown. Physisch bringt er viel mit und könnte die Passverteidigung mindestens in der Tiefe verstärken. Walter Rouse und Michael Jurgens werden ebendiese für die Offensiv Line bieten, während Kicker Will Reichard direkt die Chance auf den Starting Job bekommen wird. Dass er als erster Kicker gedraftet wurde kam wenig überraschend, lieferte er bei Alabama doch souverän und zuverlässig ab, brach etliche Schulrekorde und meisterte am Superstar-College vor allem einige Drucksituationen, die gerade für Kicker von besonderer Bedeutung sind.