Joe Burrow lehrt die NFL mit seinem eisigen Blick das Fürchten. Credit: Imago Images / USA Today Network / Karim Elgazzar

Joe Burrow und die Cincinnati Bengals befinden sich auf ihrem zweiten NFL-Postseason-Run in Folge, ihr dominanter Auswärtserfolg in der Divisional Round bei den Bills hebt ligaweit die Augenbrauen. Vor allem das Selbstbewusstsein, mit dem Burrow im Schnee von Buffalo agiert, beschert dem Star-Quarterback abermals Bestnoten. Und selbst wenn seine Art nicht immer gut ankommt, sie ist genau was die Bengals von ihm brauchen!

Man kann es zuhauf in vielen Sendungen sehen, in diesen auf Spannung getrimmten Tierdokumentationen, in denen die Heinz Sielmanns dieser Welt irgendwo auf dem Globus animalischen Jägern hinterherreisen, um diese auf ihren oftmals dramatischen Beutezügen zu beobachten. Wenn sich zwei funkelnde Augen im tiefen Dickicht präsentieren, dann ist die Messe für die meisten Paarhufer sehr zum Leidwesen von Bambi meist schon gelesen. Denn Tiger, Puma und Konsorten sind gnadenlos, meisterhaft in ihrer Kunst des Tötens, eiskalt ihrer Ausübung. Blitzschnell schlagen sie zu und lassen sich dabei in der Regel von nichts oder niemandem aufhalten. Und hier lässt sich dann auch ein wenig geschwungen die Kurve zu Joe Burrow schlagen.

Er trägt nicht nur die Tigerstreifen auf seinem Helm und der Name seiner Franchise lehnt an die bengalischen Raubkatzen aus Indien an, er besitzt auch gleich etliche der eben beschriebenen Charaktermerkmale. Unter Beweis stellt er es jüngst mit einer Quarterback-Masterclass in der NFL Divisional Round, in welcher er sein Team zu einem fulminanten Auswärtserfolg gegen die Buffalo Bills führt. Das Dickicht ist dabei seine Offensive Line, die Verteidiger der Bills die Beute. Wie bei einer Raubkatze wandern Burrows Augen im Spiel vor jedem Snap durch die verschneite Tundra, lokalisieren Schwachstellen und geben dann dem Körper das Signal, damit er per punktgenauen Pass zuschlagen kann. First Down Bengals, Touchdown Bengals, Game, Set, Match.

Joe Burrow – der Inbegriff des selbstbewussten NFL-Superstars

Die Konzentration, die Gnadenlosigkeit, die eiskalte Fokussierung auf sein Werk – sie alle stehen am Sonntag in Joe Burrows Blick geschrieben. Seine Emotionen hält er unter Kontrolle, er ist zu jeder Zeit Herr seiner selbst. Als er auch im vierten Viertel noch Bälle in eigentlich schon längst verrammelte Fenster hineinzaubert, hat es den Anschein, dass dort ein besonderer NFL-Quarterback sein Tagwerk verrichtet. Ein echter Winner, einer von denen, die im Moment der großen Spiele ein neues Level von Kontrolle finden. Und einer, welchen der Rest der Liga mit Wonne zu hassen beginnt.

Dass Bills-Fans nicht besonders gut auf ihn zu sprechen sind ist nach Sonntag kein Wunder. Aber der ehemalige First Overall Pick hat es sich in seinen nicht ganz drei Ligajahren schon mit so manchem NFL-Anhänger verscherzt. Es kommt einfach nicht so blendend an, wenn ein NFL-Multimillionär auf die Frage, ob seine Diamantenkette echt wäre, antwortet, dass er zu viel Geld verdienen würde, um eine unechte umzuhängen. Auch wenn Joe Burrow dabei gelacht hat, sowas bleibt hängen und wird von jüngeren Aussagen nur noch unterstrichen. Denn just fragt ein Reporter Burrow, wie lange das Meisterschaftsfenster der Bengals denn offen wäre. "Unser Fenster ist solange offen, wie meine Karriere dauert", entgegnet der 26-Jährige und sieht dabei aus, wie der Vorsitzende einer US-Studentenverbindung, der gerade gefragt wurde, ob es bei der nächsten Sause auch alkoholfreies Bier zu trinken gibt.

Joe Burrow ist für die Cincinnati Bengals ein Segen

Man mag derartige Aussagen finden, wie man möchte, man mag selbst Rückschlüsse auf Joe Burrows Persönlichkeit daraus ziehen. Aber zwei Dinge muss man dabei schlichtweg konstatieren: Zum einen ist Joe Burrow authentisch, er scheint sich für nichts und niemanden zu verstellen. Und zum Zweiten ist diese Version von NFL-Superstar genau jene, welche die Cincinnati Bengals unbedingt gebraucht haben. Der gehässige Name "Bungles" kommt ja schließlich nicht von ungefähr, seit Ewigkeiten waren sie ein Symbol, wie man eine NFL-Franchise am besten vor die Wand fahren kann. Und dementsprechend dolle sah es mit dem Selbstbewusstsein aus.

In dieser Hinsicht hat Joe Burrow, so darf man zumindest vermuten, keine besonderen Schwierigkeiten. Im Gegenteil, die Zuversicht und das Vertrauen in die eigene Stärke steckt bei ihm in geradezu jeder Haarspitze. Und ja, manchmal wandelt es sich auch in bodenlose Arroganz. Joe Burrow ist der erste, der das zugibt. "Man darf keine Angst haben", beschreibt er sein Mantra als Führungsspieler. "Man muss ein klein wenig arrogant sein, um da rauszugehen und im entscheidenden Moment die wichtigen Plays zu machen."

Joe Burrow scheint das NFL-Sieger-Gen zu haben

Gut gefaucht, Tiger, würden mit Sicherheit andere Selbstvertrauensbolzen der NFL sagen, die es wohl ähnlich mit ihrer Einstellung halten. Man denke an einen gewissen Typen, der lange in New England gespielt hat, oder an einen anderen, der sich gerade eine Menge Gedanken um MVP-Titel macht. Dass dies nicht der einzige Weg ist, dafür gibt es – Gott sein Dank – eine ganze Menge anderer Beispiele. Dass es aber ein Weg ist, der in der National Football League eine nicht zu unterschätzende Kraft entwickelt, sollte auch jedem klar sein.

In Joe Burrows Fall sogar ganz besonders, weil er jenen Worten eben auch Taten folgen lässt. In drei Profispielzeiten hat er eine Saison verletzungsbedingt nicht beendet, in den anderen beiden steht er dafür einmal im Super Bowl und jetzt direkt wieder im AFC Championship Game. Gar nicht so verkehrt, denken sich mit Sicherheit auch seine Teamkameraden. Denn so doof es andere finden, wenn der Signal Caller ein paar vollmundige Sprüche vom Stapel lässt, im Locker Room kommt sowas großartig an. Erst recht, wenn er am Sonntag seinen Mann steht und damit die ganze Arbeit von allen durch eigene Leistung wertschätzt.

Nun hat der bengalische Kater Burrow seine finale Beute natürlich noch nicht gerissen, für jene müssen er und die Bengals noch den Chiefs und später einem NFC-Team Herr werden. Letztendlich aber deutet er mit Leistungen wie in Buffalo schon jetzt an, dass er ein gewisses Sieger-Gen längst besitzt. Und damit ist seine Aussage über das Meisterschaftsfenster faktisch vielleicht gar nicht so verkehrt, auch wenn man sie vermessen finden möchte.

Und schließlich hat ein Tiger im Dschungel sicherlich auch keine Zweifel daran, dass er bei der Jagd erfolgreich sein wird…

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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