Jalen Hurts von den Philadelphia Eagles will es seinen Kritikern in Super Bowl LVII beweisen. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Bill Streicher

Lange Zeit musste sich Jalen Hurts von vielen Leuten anhören, was er alles nicht kann. Interessieren wird das den Quarterback der Philadelphia Eagles in diesen Tagen aber wohl noch weniger als sonst, schließlich bereitet er sich auf Super Bowl LVII sowie einen Showdown mit Patrick Mahomes und den Kansas City Chiefs vor. Das Label "System Quarterback" wird er damit noch nicht ganz los, was letztendlich aber auch gar nicht so schlimm sein muss.

Es gibt so manche Dinge, mit denen man einen NFL-Quarterback adeln kann. Man kann seinen Arm mit einer Kanone vergleichen oder seine punktgenauen Pässe loben. Ebenso hören es Signal Caller gerne, wenn man ihnen eine schnelle Auffassungsgabe oder den Mut attestiert, bis zum letzten Moment in der Pocket "zu hängen", selbst wenn ein wutentbranntes Nashorn in Form eines NFL-Verteidigers auf sie zustürmt. Die Liste der Attribute, welche sich Quarterbacks in der National Football League gerne auf die Fahnen schreiben ließe sich noch um einiges weiterführen und wahrscheinlich würde sich darauf dann auch das Talent finden, welches einem Passgeber ermöglicht, „innerhalb eines Systems“ zu operieren. Ist ja auch etwas Gutes, nicht wahr? Oder, Jalen Hurts?

Der Mann hinter dem Center bei den Philadelphia Eagles guckt bei derartigen Fragen eher ein wenig zerknirscht oder zumindest relativ ernst drein. Zu lange hat er dafür von vielen Menschen gehört, dass er nicht nur vom „playing within the system“ etwas versteht, sondern sogar ein sogenannter "System-Quarterback" ist. Ein Spieler also, der zwar durchaus über achtbare Fähigkeiten verfügt, der aber ohne Zweifel vom System seiner Mannschaft besser gemacht wird, als er eigentlich ist. Es ist ein althergebrachten Begriffe im NFL-Jargon, welcher in sich eigentlich noch keinen Makel darstellt, letztendlich aber doch in gewisser Weise als Tadel auf einer Position verbucht wird, wo die Selbstglorifizierung des Einzelnen im Vergleich zum Kollektiv eine exorbitant hohe Bedeutung hat. Man muss nur Micah Parsons von den Dallas Cowboys fragen, der Hurts‘ durchschlagenden Erfolg in dieser Saison eher auf das Team und besagtes System zurückführte. Eine Meinung, die nicht wenige teilen. Nicht wenige, von denen viele aber in zwei Wochen beim Super Bowl nicht mit von der Partie sind. Im Gegensatz zu Jalen Hurts selbst.

Jalen Hurts bei vielen als "System Quarterback" verschrien

Dieser hat seinen überragenden Statistiken in der Regular Season noch zwei NFL-Playoff-Siege folgen lassen und steht nun vor seinem ersten Profiendspiel. Die damit einhergehende Bestätigung muss sich gut anfühlen für einen Akteur, der schon seit jeher Motivation aus den Vorurteilen über sein Spiel zieht und jedem erzählt, dass er kein System-Profiteur sondern vielmehr das System selbst sei, auch wenn es derjenige gar nicht unbedingt hören will. Der intrinsische Antrieb, der daraus hervorgeht, ist eine altbekannte Vorgehensweise im Profisport, die für Jalen Hurts bemerkenswerte Früchte trägt. Besonders reif und saftig kommt dabei Hurts‘ Kombination aus gutem Passspiel und starkem Ground Game daher, welche die Basis für die Offensive der Philadelphia Eagles bildet, welche dauerhaft und mit Vehemenz auf Run-Pass-Option-Plays setzt.

Ob Jalen Hurts dafür nun Henne oder Ei darstellt ist in der aktuellen Situation erst einmal unerheblich, denn schließlich fliegen die Eagles noch, woran ihr Quarterback absolut einen signifikanten Anteil hat. Es ist seine Laufstärke, die viele Plays im Gameplan Phillys erst möglich macht, er schafft Freiräume für seine stark aufspielenden Runningbacks und kreiert mit der Möglichkeit eines Laufs freien Luftraum für seine fangenden Kameraden auf der Außenbahn. Als Anführer tut er sich ebenfalls schon in jungen Jahren hervor und profitiert dabei von erfolgreichen College-Semestern an den Kaderschmieden Alabamas und Oklahomas. Auch dort umgab ihn trotz guter Leistungen und vielen Siegen schon ein Label, welches sein Potenzial als klassischer Passgeber in Frage stellte. Und es tat es nicht ganz zu Unrecht.

Jalen Hurts als wichtiges Rad in der Eagles-Maschinerie

Denn während Hurts es ohne Zweifel versteht, punktuell und in den richtigen Situationen eine Defense durch die Luft auszuhebeln, so ist dieser Teil seines Spiels sicherlich nicht jener, der in einem NFL-Bewerbungsschreiben bei ihm ganz oben stehen würde. Noch sind MVP-Fantasien in irgendeiner Weise gerechtfertigt, auch wenn Hurts‘ Camp oder die Eagles Marketing-Maschinerie sich die Finger wund twittern mögen. So wichtig seine Beine für die Flugkunststücke der Eagles sein mögen, so werden an anderer Stelle ebenfalls sehr viele Haken gesetzt, welche sich als Väter des Erfolges gerieren können. Da wäre die absolut überragende Defense Philadelphias oder die Offensive Line, welche zu den vielleicht drei besten der gesamten NFL zählt. Viele Quarterbacks geraten schon in Schwärmen, wenn sie nur an Hurts‘ Top-Receiver-Duo aus Devonta Smith und A.J. Brown denken, geschweige denn sich vorstellen, diese zwei Asse nach einer Play Action das Feld hinunterlaufen zu sehen.

Derartige Parameter verstecken so manche Schwäche im Gesamtpaket Jalen Hurts, angefangen bei der Körpergröße bis hin zur situativen Auffassungsgabe in der Pocket. Die Situation muss aber nicht als Schwarz und Weiß, als entweder oder verstanden werden. Hurts kann einerseits ein guter Quarterback sein, der allerdings gleichzeitig immens von seinem Umfeld profitiert. Und es ist nun mal einfach eine Tatsache, dass Jalen Hurts seinen NFL-Traum in einem unheimlich gemütlichen Bett träumt. Einem, in dem er aber eben auch selbst mal die Laken für den nächsten Tag ausschüttelt.

Jalen Hurts im Duell mit Megastar Patrick Mahomes

Der nächste große dieser Tage ist der 12. Februar, an jenem treten die Philadelphia Eagles gegen die Kansas City Chiefs in Super Bowl LVII an. Hurts wird dann mit Patrick Mahomes ein Quarterback gegenüberstehen, der gerade dann zu Hochform aufläuft, wenn das System von Andy Reid einmal nicht mehr als Stützrad fungieren kann und er zur Improvisation gezwungen ist. Was gleichermaßen auch einen wichtigen Teil jenes Systems ausmacht. Hier wird deutlich, wie sehr die Bezeichnung "System Quarterback" hinkt, trifft sie doch in gewissem Maß auf jeden Signal Caller zu. Auf den einen mehr, auf den anderen weniger. Erfolg beziehungsweise Misserfolg lassen sich dadurch nur bedingt ableiten, als Schimpfwort wie auch als Honorierung zeigt sie sich eher als wackelig. Entschuldigen bräuchte sich Jalen Hurts jedenfalls nicht, wenn er als eine von vielen Federn im Adlerkleid mit einem Super Bowl Sieg vergoldet wird.

Dass es dafür wohl mehr brauchen wird, als Hurts im NFC Championship gegen angeschlagene San Francisco 49ers gezeigt hat, erscheint als durchaus realistisch. 121 Passing Yards wären im Big Game eine etwas zu kleine Zahl. Wobei, wenn man Ende das eine Ergebnis stimmt, dann krächzt danach hinterher kein Greifvogel mehr. Im Gegenteil. Denn dann wäre Jalen Hurts mehr als zum Beispiel ein Jimmy Garoppolo, der vor einigen Jahren in einer ähnlichen Situation mit den 49ers war, als er in seiner Funktion als Game Manager mit einem fulminanten Team letztendlich doch im Super Bowl scheiterte. Dann wäre Jalen Hurts tatsächlich ein Super Bowl Champion.

Und das wäre ein Label, was man nun wirklich nicht für jeden Quarterback gleichermaßen verwenden kann…

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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